Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
dir, Denis! Nicht viele Pflanzer sind so großzügig!«
Wenn Denis gelobt wurde, fühlte er sich unbehaglich. Mit einem kurzen Lachen lenkte er ab: »Gut, gut! Das Fieber ist vorbei, und die Zypressen sind geschlagen, bevor die Nebel einsetzen. Das Holz ist schon verkauft. Nun kann ich das Land mit Reis bepflanzen.«
»Wie tüchtig du bist!« bemerkte sie.
Nur wenige Leute in Denis' Alter – überlegte sie – zeigen sich der Aufgabe gewachsen, eine so große Plantage wie Ardeith verantwortlich zu verwalten. Die meisten jungen Herren in der gleichen glücklichen Lage wie Denis vertreiben sich in irgendeinem Seebad angenehm die Zeit und lassen die Banken für den Rest sorgen.
»Nicht tüchtig«, erwiderte er lächelnd, »nur ehrgeizig! Da sind wir!«
Sie hatten die Tore von Ardeith erreicht. »Hast du Lust, ein Weilchen einzutreten?«
Sie nickte. Ihre Pferde bogen in die Allee. Ann fühlte sich auf ganz unvernünftige Weise glücklich. Denis' kühle Selbstsicherheit wirkte erfrischend, verglichen mit der höflichen Unaufrichtigkeit ihrer zahlreichen anderen Verehrer. Sie beobachtete seine feste Gestalt, den adligen Schnitt seines Gesichtes mit leise steigendem Wohlgefallen.
Bald hatten sie das Haus erreicht. Er hielt ihr Pferd, während sie abstieg.
Die Luft war erfüllt vom Duft der Gardenien; sie blühten üppig vor der Säulenhalle. Denis pflückte ihr eine Blüte. Sie steckte das duftende Geschenk ins Knopfloch am Aufschlag ihres Reitkleides.
»Du bist sehr schön!« flüsterte er ihr verhalten zu, damit Plato es nicht hörte.
Sie lächelte. Denis schickte Plato in die Küche; er solle sich etwas zu essen geben lassen, während er dort wartete. Ann und Denis traten in den Schatten der Säulengalerie.
»Soll ich uns eine Limonade bestellen?« fragte er sie.
»Wunderbar! Und laß mir eine Menge Eis hineintun!«
»Gut!«
Als er im Inneren des Hauses verschwunden war, verweilte Ann noch einen Augenblick auf der Galerie; nachdenklich streichelte sie eine der Säulen mit der Reitgerte.
Sie war im Hause Ardeith schon hundertmal zu Gast gewesen. Doch wollte es ihr scheinen, als erfaßte sie seine weitgerühmte Herrlichkeit heute zum erstenmal; denn zum ersten Male stellte sie sich ernsthaft die Frage, ob sie hier den Rest ihres Lebens verbringen könne und wolle.
Dalroy – so hieß die Stadt, die unterhalb der großen Plantage am Flusse lag; man nannte sie oft eine Stadt der Paläste. Die Straße aber, die von Dalroy ins Land hinausführte, galt als eine der vornehmsten in ganz Amerika; viele stolze Herrensitze säumten sie. Doch so lang sie sich auch erstreckte – nicht ein einziges Schloß an ihrem Rande ließ sich mit Ardeith vergleichen.
Ein schmiedeeiserner, hoher Zaun mit kunstvollen Toren auf der Vorder- und Rückseite schied das mächtige Gebäude und den Park ringsum von den Feldern der Pflanzung. Das Haus war aus Zypressen-Balken erbaut; Zypressenholz überdauert Generationen. Vor seinen vier Veranden an den vier Seiten erhoben sich mächtige dorische Säulen. Über der Doppeltür des vorderen Eingangs war ein Fächerfenster eingelassen mit Scheiben aus buntem Glas. Das Haus wandte dem großen Mississippi hinter den Deichen im Hintergrund die Rückseite zu; so zauberte die Frühsonne jeden Morgen durch das bunte Fenster einen Regenbogen in die Halle. Diese aber, die große Halle, durchquerte das ganze Gebäude bis zu der Doppeltür, die auf die hintere Veranda führte.
Dreißig Zimmer umschloß das erstaunliche Bauwerk – abgesehen von den Quartieren der Haussklaven, die sich seitwärts vor der Hinterfront erhoben, und von dem aus Ziegeln errichteten Küchenhaus, das mit dem Haupthaus durch einen überdachten, aber sonst offenen Holzgang verbunden war. Die Sheramys hatten sich aus Italien neun weiße und neun schwarze Marmor-Kamine kommen lassen; die Larnes hatten für alle Kamine weiß als Farbe gewählt – auch jede Abwandlung der Türgriffe hatten sie sich versagt. Alle Angeln und alle Klinken zu Ardeith bestanden aus getriebenem Silber; das galt auch für die Kerzenhalter auf beiden Seiten der marmornen Kamine.
Aber das Prachtvollste im Hause Ardeith war die Treppe.
Ann betrat die Halle und betrachtete die schwebenden Stufen, deren Geschichte sie schon viele Male vernommen hatte. Als David Larne, Denis' Großvater, das Haus erbaute, nahm er sich vor, es vor allen anderen in Louisiana auszuzeichnen: nicht nur durch Marmor, Silber und Brokat – darauf verfiel jeder
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