Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
keine Weise besser zur Wirkung gelangt als im Reitkleid, sie wußte, wie vorzüglich sie gewachsen war. Mammy hatte ihr das Haar in Locken um die Schultern gelegt; darüber thronte ein schicker, kleiner, grüner Hut. Die Feder von seinem Rande küßte ihre Wange gerade dort, wo das Grübchen sich bildete, wenn es ihr einfiel, jemand anzulächeln. Ann zog sich die Stulphandschuhe an, nahm die Reitgerte aus Mammys Hand entgegen und hob die Schleppe über den Arm, um sie so weit zu verkürzen, daß sie ausschreiten konnte.
Das Haus lag sehr still, als sie treppab stieg. Der Oberst war auf die Felder geritten, und Jerry mußte unterwegs sein. Ann überquerte die hintere Galerie und wandte sich dem Küchenhaus zu. Ein halb Dutzend kleiner Negerlein, die sich in der Hoffnung auf einen Leckerbissen um die Küchentür drängten, riefen: »Guten Tag, Fräulein Ann!«, als sie sich näherte. »Guten Tag!« antwortete Ann und lachte ihnen zu; zumindest werde ich eine gute Mutter abgeben, fuhr es ihr durch den Sinn. Kinder hatten es ihr angetan. Sie trat in die Küche, um der Köchin Bescheid zu sagen; wieder wurde sie ausführlich gescholten, da sie die Mahlzeit versäumen wollte; aber schließlich bekam sie doch ein paar noch heiße Brötchen mit Pfirsich-Marmelade. Munter kauend, schritt Ann durch das Haus zurück. Vorn am Wagenplatz stand der schwarze Plato und wartete auf sie mit den Pferden.
Er half ihr in den Sattel und stieg dann selbst zu Roß, um ihr zu folgen. Sie ritten die Allee hinunter. Das schwere Eisentor an ihrem Eingang stand weit offen. Gerade wollte ein Ackerwagen draußen vorbeifahren. Als Ann sich näherte, schrie ein weißer Mann, der neben dem Wagen auf einem Maultier ritt, dem schwarzen Wagenlenker wütend zu:
»He, du schmutziger, schwarzer Nigger. Mach der Dame Platz, oder nimm dich mit deiner Haut in acht!«
Ann zuckte zusammen. Es war ihr widerlich, wenn jemand die Neger anbrüllte. Sie zügelte ihr Pferd und sagte kühl:
»Ich komme gut vorbei! Danke!«
Der weiße Mann warf ihr einen prüfend frechen Blick zu, tastete sie von oben bis unten mit seinen Augen ab, als stände sie auf dem Markt zum Verkauf. Er zeigte ein flaches, rotes Gesicht und kleine, unangenehme, schwarze Augen – ein Stück Rindfleisch, in das man zwei Rosinen gesteckt hat. Als er seinen Hut zog, bemerkte Ann, wie dicklich seine Finger waren; feine Schweißtröpfchen glänzten zwischen den Härchen auf seinem Handrücken. Er verbeugte sich mit einem Lächeln, das er offenbar für verbindlich hielt, und sagte:
»Meine Hochachtung, Madame! Darf ich mir ergebenst erlauben, die Frage auszusprechen, ob ich die Ehre habe, mit Fräulein Sheramy zu sprechen?«
Sein Benehmen wirkte ölig. Er redete durch die Nase, wie es die ungebildeten Leute aus Neu-England und dem nördlichen Teil des Staates New York zu tun pflegen.
»Ja, ich bin Ann Sheramy«, erwiderte sie und versuchte, weiterzureiten; aber er drängte sein Maultier so zur Seite, daß er den Weg versperrte: »Darf ich mich vorstellen, Madame!«, sagte er mit einer neuen Verbeugung: »Ich bin Gilday, der neue Aufseher Ihres Herrn Vaters. Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, während seine Augen sie abermals von oben bis unten musterten. Ann glühte; sie fühlte, wie ihr die Nasenflügel vor Widerwillen zu beben begannen.
»Wollen Sie mich, bitte, vorbeilassen!« rief sie aus.
»Aber gewiß doch, Madame! Stets zu Ihren Diensten, Madame!« Er lenkte sein Maultier ein wenig zur Seite. Ohne zu antworten, versetzte sie ihrem Pferd einen leichten Schlag mit der Gerte und fegte davon. Obgleich sie so dem Kerl schnell aus den Augen kam – schneller ging es kaum –, wurde sie immer noch von dem Gefühl beherrscht, daß er sie von oben bis unten betrachtete. Sie schauderte zusammen; eine leise Übelkeit stieg ihr auf. Das also war der neue Aufseher! Der durfte auf keinen Fall lange auf Silberwald bleiben. Wenn sie ihrem Vater oder Jerry auch nur andeutete, wie er sie gemustert hatte, so verschwand Gilday von der Pflanzung, ehe noch die Ernte begann.
Als die Straße endlich von der geraden Richtung abbog, zog sie ihrem Pferd die Zügel an. Der Weg führte quer durch Baumwollfelder; Bäume säumten ihn mächtig, von denen lange graue Moosfahnen über das Haupt der Reiterin hinwehten. Weit jenseits der Felder zeichneten sich die grünen Abhänge des Deiches in den Horizont; in sanften Kurven begleiteten sie den Lauf des
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