Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Kopf ruhte an seiner Schulter; ihre Hand verwirrte sein kupfriges Haar. Als er in diesem Augenblick von neuem sie bat, seine Frau zu werden, da nickte sie bejahend. Doch zugleich spürte Ann, wie in entlegenen Winkeln ihres Gemüts eine leise quälende Frage nicht schweigen wollte: hatte sie nur diese romantische Verehrung zu erwarten – – nichts weiter? Eine leise Unruhe blieb zurück, denn sie wußte keine Antwort.
Denis jedoch war strahlend mit sich im reinen. Sein Entzücken ließ ihn von innen her glänzen. Sie sagte: »Ist Heirat das, was alle von ihr sagen – so ernst und feierlich? Wie soll ich heute wissen, was ich mir in dreißig Jahren wünschen werde?« Denis lachte tief und verhalten; er hob eine Locke von ihrer Schulter und küßte sie. »Was es auch sein mag, Liebste«, versprach er, »du sollst es bekommen, wenn ich es vermag.«
»Niemand ist lieber als du!« flüsterte Ann; wieder legte sie ihm die Hände auf die Schultern und blickte zu ihm auf, scheinbar vor Glück ganz außer Atem. Tatsächlich aber fuhr ihr der Gedanke durch den Sinn: was für ein hübsches Paar wir abgeben werden, Denis und ich! Die Leute werden mich beneiden; er sieht vorzüglich aus – und ich mit meinem Talent für Kleider und Schmuck –! Und eine Hochzeit will ich feiern –! Nach Jahren noch sollen die Leute davon reden!
Nach einer Weile traten sie in den Salon. Während sie geeiste Limonade schlürften, lehnte sie sich auf dem Sofa an den Verlobten. Er hatte den Arm um sie gelegt; in dem beschatteten Raum, bei dem kühlen Getränk merkten sie nichts von der Hitze des Tages. Sie sprachen nicht viel. Denis war glücklich, daß sie sich ihm endlich versprochen hatte, und Ann empfand ein Gefühl des Gesichertseins. Alle Schwierigkeiten würden sich von selber lösen, seit sie sich nun entschlossen hatte, Denis zu heiraten. Sie sah ihr zukünftiges Dasein deutlich vor sich ausgebreitet, als hätte sie es schon durchschritten.
Vielleicht fände ich die Aussicht auf eine solche Ehe erregender – überlegte sie –, wenn ich dazu erzogen wäre. Es wandelte sie sogar der Gedanke an, das Leben meine es allzugut mit ihr; aber er verflog so schnell, wie er gekommen war, beschämt ob seiner Unangemessenheit. Doch hinterließ er die unwillkürliche Erkenntnis: sanft ist die Straße, über die ich gewandert bin – mir fehlt ein Maßstab; von den Gipfeln und den Abgründen der Wirklichkeit weiß ich nichts.
III
I n der ersten Woche des Oktobers beraumte die alte Mrs. Larne den alle sechs Monate fälligen Hausputz an. So war es im Hause Ardeith von jeher Sitte gewesen. Als die Arbeit gut in Fluß gekommen war, unternahm sie ihren ersten Rundgang durch die Kammern und Lagerräume. Sie mußte sich vergewissern, ob auch alle ihre Anweisungen genau befolgt wurden. Achtunggebietend rasselten die Schlüssel an ihrem Gürtel.
Mrs. Larne liebte das Haus, fast als wäre es ein lebendiges Wesen. Die duftenden Wäschekammern, die blanken Fußböden, die Regale mit langen Reihen verstaubter Weinflaschen – das Porzellan, das Kristall, das Silber, ein jedes schimmernd an dem Platz, der ihm vorbestimmt war – der sorgsam gepflegte Besitz flößte ihr ein Gefühl wie nach wohlverrichteter Arbeit ein. Hier lag ein Königreich, und sie regierte es mit Anstand. Sie hatte niemals die Sorglosigkeit verstanden, mit welcher manche Frauen ihre Häuser bezahlten Wirtschafterinnen anvertrauten. Sie ließ die Schlüssel niemals aus der Hand; nur wenn sie einmal krank das Bett zu hüten hatte, übergab sie diese höchsten Symbole ihrer Würde dem unvergleichlichen Napoleon. Dieser war seit seinen Kindertagen so sorgsam gezogen, er war auf seine Stellung als Oberdiener so stolz, daß er die Untergebenen strenger zu ihren Verrichtungen anhielt, als es die Herrin des Hauses selbst gewohnt war.
In den Wäschekammern schichteten die Mädchen das Leinen in die Schrankfächer, die sauber geputzt waren und mit frischem Seidenpapier ausgelegt. Sie legten trockenen Lavendel und Veilchenwurzeln, zierlich in Tüll gewickelt, zwischen die einzelnen Packen. Der angenehme Duft drang durch das ganze Haus. Mrs. Larne griff nach einem Stapel von Tischtüchern; ihre Hand strich wohlgefällig über den schweren Damast. Hier und da glitten ihre Finger über gestopfte Stellen, die aber so gewissenhaft im Gewebe versteckt waren, daß sie kaum entdeckt werden konnten. Sie hatte selbst die Mädchen gelehrt, so kunstvoll zu stopfen. Ihr Leinen war dazu bestimmt,
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