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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hernieder und küßte ihre Wange.
    Sie hörte, wie er mit schnellen Schritten die Treppe hinuntersprang. Frances trat an den Kamin und zerpflückte eine der Dahlien. Die Blumenblätter flatterten auf die Feuerstelle.
    Sie hatte sich stets bemüht, ihre Pflicht zu tun. Niemand ahnte, wie schwer es sie manchmal ankam. Außer ihr gedachte ja niemand mehr der vier kleinen Gräber auf dem Friedhof. Frances spürte ein leises Zittern in der Brust wie von einer Flamme. Manchmal machte sich ihr Herz auf diese Weise bemerkbar – besonders dann, wenn es ihr nur mit äußerster Anstrengung gelungen war, sich selbst zu beherrschen; doch klagte sie über die Schmerzen, die ihr der Körper manchmal bereitete, ebenso selten wie über die Qualen, die ihre Seele zuweilen zu bestehen hatte. Ob auch diese beiden strahlenden Menschen, ihr Sohn und die junge Ann Sheramy, noch einmal würden lernen müssen, wie hart es die Menschen ankommt, Haltung und Anstand zu bewahren, wenn das Schicksal sie feindlich behandelt? Die Erfahrung bleibt keinem erspart. Gegen ihren Willen stieg ihr ein stoßendes Schluchzen in die Kehle; sie stützte die Stirn gegen den Marmor; wie tröstlich kühl es zu spüren war! Eine Träne bahnte sich den Weg die Wange abwärts, überquerte die Stelle, auf welche Denis seine Mutter geküßt hatte, und zersprühte auf den farbenbunten Blütenblättern zu ihren Füßen.
    Frances merkte nach einer Weile, daß sie das Kaminsims mit ihrer Rechten streichelte. Wie stolz war sie auf Denis stets gewesen, wenn sie ihn über die Felder reiten sah; wie sie seinen lockeren und zugleich straffen Sitz zu Pferde liebte; so saß im Sattel, wer geboren war zu befehlen. Entweder er oder sie beurteilte die geplante Ehe falsch; sie liebte ihren Sohn zu innig, um nicht zu hoffen, der Irrtum läge bei ihr. Es klang so einfach, dem jungen Paar das Haus zu überlassen, um nicht zu einer der Schwiegermütter aus den Witzblättern zu werden. Denis würde ihr unendlich dankbar dafür sein und die Mutter nur noch tiefer lieben. Jenes Mädchen aber, das er heiratete, es besaß nur so viel Verstand wie ein Kanarienvogel. Ann würde mit den Schultern zucken und als ihr gutes Recht betrachten, die ältere Generation beiseite zu drängen; die Schwiegermutter hatte das Haupt zu neigen und abzutreten.
IV
    D enis und Ann feierten Hochzeit in jenen Wochen des Nebels und der Stille, die auf den Plantagen anbrechen, wenn die Baumwolle abgeerntet ist und das Pressen des Zuckerrohrs noch nicht begonnen hat. Ann stand neben Denis in der großen Halle zu Silberwald. Einhundertundfünfundzwanzig Fuß handgeklöppelter Spitze waren in ihrem Brautkleid verarbeitet. Und ihr Schleier – so hatte Denis es ausgedrückt – schien aus den Nebeln des großen Stromes gewoben. Ihr Reifrock besaß einen solchen Umfang, daß Denis sich fast hinüberlehnen mußte, als sie den Finger aus dem Schlitz im Handschuh schlüpfen ließ, damit er ihr den Ring darüberstreifen konnte; der schwere goldene Reif trug auf der Innenseite eingraviert die Schrift: ›Für Ann von Denis, am 6. Dezember 1859‹. – Hundert Gäste waren zu der Feier geladen, zweihundert andere erschienen außerdem, um ihre Glückwünsche abzustatten – und um die Hochzeitsgeschenke abzuschätzen. Zwei vertrauenswürdige Sklaven wanderten mit Argusaugen durch die Räume: berauschte Gäste mochten auf den Einfall kommen, sich einen silbernen Löffel als Andenken an die wunderbarste Hochzeit mitzunehmen, die das Land am Strom seit Jahren erlebt hatte.
    Viele der Hochzeitsgäste ließen ihre Wagen vorfahren, um das junge Paar zum Hafen zu geleiten, wo Denis und Ann das Schiff stromab nach New Orleans besteigen wollten. Sie hatten vor, die Nacht im St.-Charles-Hotel zu verbringen und am nächsten Tag nach Pass Christian weiterzureisen. Ann ließ sich bei den Landungsbrücken von Denis aus dem Wagen helfen; sie brachte ihren Rock rund um sich her wieder in Ordnung und zog den Pelz fester um die Schultern – es wehte kalt vom Strom herüber. Leise fiel ihr ein, daß sie für eine eben heimgeführte Braut beinahe allzuviel Haltung zeigte, und auch, daß sie noch nie in ihrem Leben besser ausgesehen hatte. Der Wagen mit den Koffern rumpelte näher. Denis ging hinüber, um den Kutscher anzuweisen, wie er das Gepäck verstauen sollte. Ann trat ein paar Schritte zur Seite; sie näherte sich der Laufbrücke, die das Schiff mit dem Ufer verband; die vielen schwatzenden Gäste, die ihr zum hundertsten Male alles

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