Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Herrin von Ardeith angetreten hatte. Ihr Leben war nicht einfach gewesen, hatte sie sich doch nie einer besonders kräftigen Gesundheit erfreut. Sie schenkte Denis das Leben und schien damit ihr Äußerstes geleistet zu haben. Viermal noch hatte sie geboren; aber die winzigen, schwächlichen Wesen hatten nie länger als ein paar Tage gelebt. Nur Cynthia, ihrem sechsten Kinde, schien es gelingen zu wollen, die Jugendjahre zu überstehen, doch das Haar der Mutter war inzwischen weiß geworden; die Sorgen um die Gesundheit der Tochter hatten es gebleicht. Als aber Denis zum Manne herangewachsen war, wollte es Frances Larne so scheinen, als hätte sich ihr Leben schließlich doch gelohnt, wunderbar gelohnt. Denn Denis bewies den kraftvollen Wagemut, der seine Vorfahren in die Wildnis geführt hatte, und zugleich den schönen Anstand, den sie mit wachsendem Erfolg und Reichtum erwarben. Denis war noch jung, als sein Vater starb, aber Frances Larne spürte, daß das weitere Geschick der Plantage Ardeith in Händen lag, die es zu meistern verstanden.
Dann kehrte Ann Sheramy aus dem Pariser Institut zurück, wo sie den letzten gesellschaftlichen Schliff empfangen hatte. Sie brachte einen Berg von schönsten Kleidern mit und schien kein weiteres Lebensziel zu kennen, als sich mit ihnen angetan von einer möglichst zahlreichen Schar junger Herren bewundern zu lassen. Sie schlug ihrer Mutter nach, die ein Fräulein Leichtfuß mit einer besonderen Vorliebe für Champagner gewesen war; Oberst Sheramy hatte sie in Savannah kennengelernt, wohin er abkommandiert gewesen war. Frances hatte nie begriffen, warum der ernste und schwerblütige Mann sie geheiratet hatte. Nun hatte Denis vor den Reizen dieser Ann kapituliert, die nichts weiter war als ein hübscher Dummkopf.
Die beiden hatten sich verlobt, und gleich nach der Baumwollernte sollte die Hochzeit stattfinden. Als Denis seiner Mutter berichtete, daß er mit Ann einig geworden, war Frances Larne gegen ihre Absicht nicht imstande gewesen, ihren Widerspruch zu unterdrücken.
Noch niemals, solange er lebte, hatte der Sohn die Mutter mit so harten Worten zurechtgewiesen:
»Ich weiß, daß du sie nicht liebst. Aber ich liebe sie. Alles weitere geht dich nichts an.«
»So ist es!« hatte sie geantwortet. »Entschuldige, Denis!«
Dann fragte er: »Mutter, warum lehnst du sie so heftig ab?«
»Ich lehne jedes Mädchen ab«, rief sie aus, »die nichts weiter im Sinn hat als Kleider, Männer und wie man Geld ausgibt.«
»Das stimmt nicht und ist ungerecht«, erwiderte Denis entschieden und bitter. Frances schwieg nach diesen Worten. Es mochte nicht besonders höflich sein, was sie gesagt hatte, aber es entsprach der Wahrheit.
Mrs. Larne maß ihr stilles Zimmer mit den Schritten aus, immer wieder. Ann also sollte Herrin auf Ardeith werden mit seinen dreißig wunderbaren Räumen und der Ordnung, die sie hier geschafft hatte. Sie stellte sich Ann vor: wie sie den Reichtum der Larnes zum Fenster hinauswerfen und Denis' strahlendes Leben verspielen würde. Frances Larne vernahm, wie jenseits der Halle die kleine Cynthia in ihrem Schulzimmer sich mit der Erzieherin auf französisch unterhielt; dabei fiel der Name Ann Sheramy. Die Erzieherin ließ das Kind über alles sprechen, was es wollte, wenn es sich nur richtig auf französisch ausdrückte.
»Sie ist schön, Mademoiselle, und so schöne Kleider bestellt sie für ihre Aussteuer. Sie wird die schönste Braut sein, die jemals einer gesehen hat. Ich würde sie jeden Tag besuchen, wenn Mutter es mir erlaubte. Ihr Hochzeitskleid wird aus echten Brüsseler Spitzen geschneidert und das Unterkleid aus weißer Seide. Richtige Brüsseler Spitzen – ach! Und der Reifrock aus feinstem Stahl und federleicht –!«
Echte Spitze, dachte Frances. Tausend oder fünfzehnhundert Dollar für ein Kleid ausgeben, das sie nur ein einziges Mal in ihrem Leben anziehen wird. Oberst Sheramy würde ihr die Sterne vom Himmel holen, wenn sie Lust bekäme, sie im Haar zu tragen.
Sie hörte, daß Denis sein Zimmer verließ. Sie trat vor ihre Tür.
»Willst du ausreiten?« fragte sie ihn; er zog sich gerade die Reithandschuhe an und trug die Reitpeitsche unter den Arm geklemmt.
»Ja, nach Silberwald. Vielleicht bleibe ich zum Abendbrot drüben.«
»Bruder Denis!« rief Cynthia aus ihrem Schulzimmer auf englisch; sie hatte feine Ohren. Sie steckte ihren Kopf zur Tür hinaus:
»Bruder Denis, wenn du nach Silberwald reitest, bestelle doch Miß Ann viele
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