Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
so wundervolle Sachen schenkst, muß ich dir ja jeden Tag eine Szene machen!«
Corrie May blickte sich nachdenklich um und trabte auf die Hintergalerie hinaus. Sie setzte sich in dem kleinen Zimmerchen, das ihr angewiesen war, auf das schmale Bett und dachte nach. Kein Wunder, daß reiche Leute so angenehme Manieren an den Tag legen. Wenn Ann und Denis am Rattletrap Square hausten, wohin hätte Denis ausweichen können, seinen Zorn zu vergessen? Nur in eine Kneipe oder ein Hurenhaus! Da hätte er das Geld vertan, das man für Essen und Trinken brauchte, und so erst recht Unheil gestiftet. Anstatt sich friedlich auszuruhen und ihre Nerven zu beruhigen, hätte Ann am Waschfaß stehen oder Abendbrot kochen müssen, wäre heiß und schwitzig und müde geworden und natürlich bösartiger denn je. Und selbst wenn Denis am Rattletrap Square seine Heftigkeit bereute, ein Armband, die Reue zu beweisen, hätte er nicht erschwingen können. So war es eben: am Rattletrap Square schrien sich die Leute an und warfen sich harte Gegenstände an den Kopf – und in Ardeith besänftigten sie sich statt dessen mit Küssen und nannten sich gegenseitig ›Liebling‹.
Geld! Das war es! Aber Geld nicht allein! Es kam noch etwas hinzu; sie dachten darüber nicht nach; aber sie waren von ihrem eigenen Wert selbstverständlich überzeugt. Corrie May begriff dies besonders deutlich, als Ann sich anschickte, Mutter zu werden.
Denis und Ann hatten den heißen Juli weiter im Norden in einem Kurort namens Saratoga verbracht; sie kehrten wieder heim, und Corrie May merkte sofort, daß Ann ein Kind erwartete. Wenn Ann den Reifrock trug, verriet sich nichts; vertändelte sie aber halbe Vormittage in ihrem Morgenrock, konnte sie ihren Zustand nicht mehr verheimlichen. Corrie May war nicht weiter überrascht oder gar aufgeregt. Daß ein junges Paar Kinder bekam, war wirklich nichts Besonderes. Corrie May hielt das Kinderkriegen für eine abscheuliche Einrichtung. Sie machte sich nicht viel aus kleinen Kindern: sie quäkten und blökten, beschmutzten die Windeln und machten ewig Arbeit; die ganze Mutterschaft mit all ihrem Drum und Dran – ein Verhängnis! Die Männer und Frauen vom Rattletrap Square schätzten sie wenig. Um so mehr war Corrie May erstaunt, als sie erlebte, was nun auf Ardeith sich abzuspielen begann. Ein Thronerbe in Sicht! Wie wundervoll! So bald schon! Bist du nicht stolz, Denis? Ann, mein Liebling, fühlst du dich auch wohl? Soll ich dir einen Schal holen? Es zieht vom Fenster!
Man schaffte seltenes Obst herbei, das gar nicht in die Jahreszeit paßte, um Anns Appetit zu reizen, man schenkte ihr die neuesten Bücher, um ihre erzwungene Muße zu beleben. Die schönsten Gewänder wurden für Ann genäht, damit sie ihren schwellenden Leib so wenig wie möglich zu beklagen brauchte; es war doch wichtig, die angehende Mutter bei fröhlicher Stimmung zu erhalten.
Corrie May hätte all diese Besorgnis schließlich begriffen, wären Anzeichen dafür vorhanden gewesen, daß Ann sich nicht wohl fühlte. Doch Ann erblühte in ihrem neuen Zustand wie ein wohlgehüteter und gepflegter Garten – jedermann konnte merken, daß sie sich als werdende Mutter unbeschreiblich wichtig und herrlich vorkam.
Das Mulattenmädchen Bertha, Napoleons Frau, erwartete etwa um die gleiche Zeit wie Ann ein Kind. Sie wurde der Ehre gewürdigt, die Amme des Erben von Ardeith zu werden; sie zog aus den Negerquartieren in ein Zimmer des großen Hauses; man umhegte sie und umschmeichelte sie mit fast ebenso vielen Annehmlichkeiten, wie sie die Herrin selbst erfuhr. Corrie May dachte: wenn ich Bertha wäre, ich käme mir wie eine Milchkuh vor, die für die landwirtschaftliche Ausstellung aufgefüttert wird; doch Bertha, eine fesche, junge Person mit vorzüglichen Manieren und vornehmer Sprechweise, schien ihre Nase nicht hoch genug recken zu können.
Die Mädchen im Nähzimmer schnitten und stichelten an Bergen winziger Jäckchen, Röckchen und Hemdchen; kein Säugling war imstande, sie jemals abzutragen, ehe er aus ihnen herauswuchs. Um Ann, die Königin der Mütter, angemessen für ihr Wochenbett auszustatten, wurden Nachtgewänder und Kissenbezüge, Betthäubchen aus Bändern und Spitzen und vieles andere entworfen und kunstvoll bestickt. Neue Bettvorhänge wurden beschafft, aus roter Seide, mit Weiß abgesetzt, denn Ann sollte im November niederkommen – und jede Zugluft über ihr Bett mußte verhütet werden. Aus New Orleans wurden eigens erfahrene
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