Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
Vom Netzwerk:
kannst du tun.«
    »Und jetzt gehe ich wohl lieber?«
    Ann lächelte: »Du schenkst mir viel Vertrauen. Wie wollen wir es mit dem Lohn halten?«
    Corrie May biß sich auf die Lippe: »Ich habe keine Ahnung, Mrs. Larne!«
    »Ich auch nicht.« Ann zuckte leise mit den Schultern. »Ich weiß nicht, was an Löhnen gezahlt wird, und erst recht nicht, was ich dir anbieten soll. Was hast du sonst für einen Tag an Lohn bekommen?«
    »Fürs Apfelsinenpflücken wurden dreißig Cents gezahlt.«
    »Dreißig Cents?« wiederholte Ann. »Wie lange mußtest du dafür arbeiten?«
    »Vom ersten Tageslicht bis zum letzten Tageslicht, Mrs. Larne!«
    »Du lieber Gott –!« murmelte Ann halblaut. Laut sagte sie: »Wenn du das gewohnt bist – ich will dir etwas sagen: hier hast du feinere Arbeit zu verrichten als in den Orangengärten. Wollen wir also fünfzig Cents für den Tag festsetzen?«
    »Oh, du meine Güte, Mrs. Larne, das ist viel Geld! Tausend Dank, Madame!«
    »Gern geschehen, Corrie May!« Als Corrie May den Raum verlassen wollte, fügte sie hinzu: »Noch einen Augenblick!« Sie ging zu ihrem kleinen Schreibtisch, zog ein Schubfach auf und nahm ein Geldtäschchen aus Seide heraus, mit vergoldeten Perlen bestickt. »Hier!« sagte sie, »dies ist für den Unterrock!« und reichte Corrie May einen Vierteldollar. Corrie May stockte der Atem; so viel Großzügigkeit hatte sie nicht erwartet; für ihre ›Probearbeit‹ wurde sie auch noch bezahlt. »Oh, Mrs. Larne, meine Arbeit war keinen Vierteldollar wert!«
    »Schon gut, behalt ihn nur! Ich denke, daß dir bald ein Wagen begegnet, wenn du die Straßen am Park entlanggehst.«
    »Ja, Madame!«
    »Und vergiß deine Juwelen nicht!« rief Ann über die Schulter zurück, während sie sich wieder in ihr Wohnzimmer begab. Corrie May verwahrte den Vierteldollar sorgfältig in der Tasche und packte die Schmuckstücke, die Ann ihr geschenkt hatte, in ein Tüchlein. Als sie schließlich gehen wollte, wurde sie noch einmal durch die offene Tür ihrer Wohltäterin ansichtig. Ann lag auf dem Sofa und stützte das Kinn in die Hand. Sie blickte aus dem Fenster, aber ihre Augen waren leer; die schönen Gärten schienen ihr kein Vergnügen zu bereiten – sie nahm sie wohl nicht einmal wahr. Sie sah so gelangweilt aus, daß Corrie May erschrak und unwillkürlich laut aufseufzte. Ann wandte den Kopf:
    »Hast du noch einen Wunsch?«
    »Ach nein, Madame!«
    Corrie May hielt verlegen inne.
    Sie fühlte sich gezwungen, etwas zu sagen, und wußte nicht, was.
    »Entschuldigen Sie, bitte! Ich wollte Ihnen nicht auf die Nerven fallen. Ich dachte nur, Sie sähen nicht ganz wohl aus. Hoffentlich sind Sie nicht krank!«
    »Ich bin durchaus in Ordnung.« Ann legte sich auf den Rücken und reckte die Arme. »Ich bin nur heute in elegischer Stimmung.«
    »Elegisch?« wiederholte Corrie May unsicher. »Was ist denn das?«
    »Es bedeutet, daß man nicht sehr glücklich ist.«
    »Oh«, sagte Corrie May. Sie warf noch einmal einen Blick auf all die Pracht ringsum. »Lieber Himmel, Sie müssen doch glücklich sein!«
    Ann betrachtete Corrie May mit einem Blick, so vollkommen verständnislos, daß die Schöne vom Rattletrap Square tief errötete. Hastig verließ sie das Zimmer und eilte über die Hintertreppe und den Hof vor dem Küchenhaus davon, so schnell sie die Beine nur tragen wollten.
II
    G eld war vielleicht nicht alles, aber Geld war viel! Corrie May fand eines Tages ein viereckiges Kästchen, das Ann weggeworfen hatte, nachdem es ihr eine Zeitlang dazu gedient hatte, einige seidene Blumen für ihren Gürtel aufzubewahren. Corrie May vermischte ein wenig Mehl mit Wasser, schnitt einen schmalen Schlitz in den Deckel und klebte ihn dann auf dem Unterteil fest. Jedesmal, wenn Ann ihr den Lohn auszahlte, warf sie ein Kupferstück oder einen Nickel in diese simple Sparbüchse. Sie verbarg das Kästchen hinter dem alten Vorhang, der ihr, quer in eine Ecke ihres Verschlages gespannt, den Schrank ersetzte. Ihr Papa durfte den Schatz nicht entdecken, wenn er von seinen religiösen Wanderfahrten heimkehrte; sonst fiele ihm gewiß bald etwas ein, was er keinesfalls entbehren konnte; um ihr Geld war es dann geschehen.
    Es dauerte lange, ehe Corrie May auch nur einen einzigen Dollar zusammengespart hatte – aber die Münzen in dem Kästchen rasseln zu lassen, verlieh ihr ein Gefühl der Sicherheit. Geld bedeutete Macht, eine wunderbare Macht! Bevor Corrie May nach Ardeith geriet, hatte sie sich nicht träumen

Weitere Kostenlose Bücher