Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Schneiderinnen herbeizitiert, über die neuesten Moden Bericht zu erstatten; sie entwarfen und nähten für Ann ein märchenhaftes Kleid; damit sollte die junge Mutter sich schmücken, wenn ihr Kind zur Taufe getragen wurde. Und Denis! Er wandelte umher mit einer Miene, als wäre er eben zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt; dabei hatte er nur die höchst alltägliche Tat vollbracht, ein Kind zu zeugen.
Corrie May dachte daran, wie die Frauen vom Rattletrap Square mit der Mutterschaft fertig wurden. Sie hatten wie gewöhnlich ihre Arbeit zu verrichten; sie kochten und scheuerten, und keiner fragte danach, ob sie sich wohl dabei fühlten; oft genug wurden sie am Waschfaß oder am Herd von den Wehen überrascht. Wenn die Kinder im Sommer geboren wurden, so genügte eine Windel, sie zu kleiden; im Winter wickelte man sie in ein Umschlagtuch oder eine alte Decke.
Die kostspielige Komödie, die man zu Ardeith aufführte, wurde Corrie May allmählich widerlich. Sie stuckerte auf den Baumwollkarren nach Ardeith und wieder zurück zum Rattletrap Square. Manchmal hockte sie auf den Stufen vor ihrer Wohnung und glaubte, sie hätte die alte Heimat ringsum noch nie gesehen, so scharf und neu gezeichnet stand sie ihr jetzt vor Augen. Hier waren die Frauen alt mit fünfunddreißig und greisenhaft abgelebt mit vierzig Jahren, und jeder zweite Säugling starb nach seinem ersten Sommer. Da wälzten sich die Kinder in den schmutzigen Pfützen, um ein wenig Kühlung zu genießen; ihre aufgetriebenen kleinen Bäuche schwärmten von Fliegen. Corrie May erinnerte sich der Sklavenweiber auf Ardeith – lagen sie in den Wochen, so wurden sie sorgfältig gepflegt; denn ein kleiner Neger war hundert Dollar wert, schon am Tage seiner Geburt! Ihre Hände ballten sich auf den Knien; die Gedanken hämmerten wie ein Trommelwirbel: »– arm', weiß' Pack, armes, weißes Pack! Nigger niemals geht auf der noblen Straß'; aber lieber ich ein Nigger bin als arm', weiß' Pack.«
Wie sie die Leute all auf Ardeith haßte! Sie haßte selbst das ungeborene Kind; schon in seiner Mutter Leibe war ihm vorbestimmt, Corrie May und ihre Leute in der Vorhölle gefangenzuhalten, wo sie zu bleiben hatten, damit es ihm wohl ergehe. Im geheimen ließ sie ihre Sparbüchse klappern; es war nicht viel darin; aber die Münzen rasseln zu lassen erfüllte sie immer wieder mit stillem Entzücken. Sie verdiente selten mehr als anderthalb Dollar in der Woche; ein Wochenverdienst ging im Monat allein für die Miete ihrer Wohnung drauf. Aber sie sparte doch – und wenn es nur Pennies waren. Ann versah sie außerdem mit abgelegten Kleidern; und die Mahlzeiten, die Corrie May vorgesetzt erhielt, waren so reichlich bemessen, daß sie beinahe immer einen Teil beiseite tun und nach Hause mitnehmen konnte.
An einem feuchten Novembermorgen fand Corrie May, als sie in Ardeith eintraf, das Haus so still und feierlich wie eine Kirche. Mrs. Maitland bedeutete ihr an der Haustür im Flüsterton, daß das Kind des Nachts geboren sei und die Mutter jetzt schlafe: »Heute wird nicht gearbeitet. Es darf sich keiner rühren im Haus und draußen, damit sie ja nicht aufwacht. Du kannst übermorgen wieder nachfragen, Corrie May!«
Solch ein Theater, dachte Corrie May. Die ganze lange Fahrt umsonst! In diesem elenden Wetter! Der Tag war farblos verhangen, Nebel überall.
Als sie wieder um das Haus herumwanderte, fröstelte sie; sie wickelte die Hände in ihr Umschlagtuch.
Vor der Vordertreppe wartete Dr. Purcells zweirädriges Wägelchen; gerade verabschiedete sich der Arzt von Denis Larne. Als Denis sich umwandte, um wieder ins Haus zurückzutreten, bemerkte er Corrie May.
»Guten Morgen, Corrie May!« sagte er.
Sie knickste: »Guten Morgen, Mr. Larne!«
Er lachte vergnügt, ohne es zu wissen: »Ich habe einen Sohn bekommen, Corrie May. Hat man es dir schon erzählt?«
»Ja, Herr! Ich hörte es!« antwortete sie höflich. »Sagen Sie bitte Mrs. Larne, daß ich ihr alles Gute wünsche!«
»Tausend Dank!« sagte Denis und sprang leise pfeifend die Treppe hinauf.
Corrie May fühlte sich versucht zu lachen, ganz ohne Mißgunst diesmal, sondern aus einem seltsamen Mitgefühl, das sie überraschte. Denis wirkte genau wie ein beschenkter kleiner Junge. Trotz all der Wichtigtuerei um das Kind war Mr. Denis noch so jung – wie komisch das ist, dachte sie unvermittelt. Sie selbst zählte erst sechzehn Jahre; er war wohl zehn oder zwölf Jahre älter als sie – und doch
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