Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
willst.«
»Ach, das stimmt nicht, Denis. Bald müssen wir zum ersten Male unseren Hochzeitstag feiern. Wie schnell das Jahr vorüberging!«
»Erst in drei Wochen!«
»Ja. Aber ich habe den Mädchen anbefohlen, mein Abendkleid nicht eher fertigzunähen, als bis ich es anprobiert habe. Sie haben es nach meinen alten Maßen zugeschnitten. Wer weiß, ob die noch stimmen. Und das will ich dir gleich sagen, Denis Larne«, sie hob warnend ihren Zeigefinger, »wenn meine Figur nicht genauso geblieben ist, wie sie war, kannst du im Schuppen oder auf dem Boden schlafen; denn dann will ich nie wieder ein Kind bekommen, solange ich lebe.«
Denis brach in ein schallendes Gelächter aus. Manchmal wünschte sich Ann, er möchte sie nicht so oft auslachen. Die Zärtlichkeit, die er für sie empfand, beruhte zur Hälfte auf der Tatsache, daß er sie amüsanter fand als irgend jemand sonst auf Erden. Schon kurz nach ihrer Hochzeit hatte Ann ihm eines Tages vorgeworfen: »Du brauchst gar keine Frau! Du hältst mich nur als dein Schoßhündchen!« Denis hatte die Bemerkung so erheiternd gefunden, daß er sie bei einer Abendgesellschaft mit großem Erfolg zum besten gab.
Ann streckte sich: »Denis, wir wollen in diesem Winter eine Menge aufregender Dinge unternehmen. Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, daß ich nicht mehr mit dem Gefühl herumlaufen muß, ein Dutzend Zentner zu wiegen.«
»Ich habe schon darüber nachgedacht. Wir könnten einen Neujahrsball geben«, schlug er vor.
»Wunderbar, das wollen wir machen. Wir müssen einen ganzen Haufen von Gesellschaften geben. Den ganzen Herbst über konnten wir keine Menschenseele einladen. Die Stadt wird voll von Wintergästen sein.«
Denis stimmte mit Vergnügen zu, fuhr aber fort: »Vorläufig solltest du noch ein wenig schlafen. Die Purcells haben sich mit Jerry und deinem Vater zum Essen angesagt. Sie werden dich alle besuchen wollen.«
»Ich bin nicht müde«, protestierte sie.
»Du wirst es aber sein, wenn du mit so vielen Leuten reden willst, ohne vorher ein wenig geruht zu haben.« Er erhob sich von der Bettkante und küßte sie. »Ich gehe jetzt hinunter, Liebes.«
»Nun gut!« antwortete sie und fand es wie gewöhnlich einfacher, zu gehorchen, als ihm zu widersprechen. Denis rief Mammy herbei und befahl ihr, die Bettvorhänge herunterzulassen.
Ann schob das Medaillon unter das Kopfkissen. Wenn die Vorhänge zugezogen waren, lag man im Bett wie in einem kleinen Häuschen. Sie hörte das Feuer im Kamin leise prasseln; der Regen trommelte sanft an die Fenster. Ob der kleine Denis wohl schlief –? Sie wußte noch kaum, wie er wirklich aussah; nur daß er winzig war und rot wie eine Mohrrübe, das wußte sie. Zumeist verwies Mammy ihn ins Kinderzimmer; sein Geschrei und ihre allzu heftige Zärtlichkeit – sie wurden noch nicht recht miteinander fertig. Ann wünschte sich, ihn häufiger bei sich zu haben. Bevor er noch geboren war, hatte sie ihn selbst nähren wollen. Doch Denis hatte erstaunt widersprochen: »Liebes, du machst dich für Monate zum Sklaven des Kindes. Wir würden nirgendwo hingehen können.« So hatte sie nachgegeben, und Bertha hatte ihr Amt angetreten. Ann war, als hätte sie etwas Denkwürdiges geschaffen; nun war nichts weiter zu tun, als still zu liegen und darüber nachzudenken. Und sie dachte: ich habe der alten Mrs. Larne ein Enkelkind geschenkt; vielleicht finde ich jetzt mehr Gnade vor ihren Augen. Dieser Tugendbold von Frau ist schwer zufriedenzustellen. Dabei habe ich ihr nie etwas Böses getan. Vielleicht meint es der Himmel gut mit mir –: vielleicht bleibt sie in Europa! Wenn sie jetzt wieder nach Hause kommt, werde ich sie womöglich ›Mutter‹ nennen müssen.
Die Vorstellung war ihr höchst peinlich. Mrs. Larne plante, den Winter mit Cynthia in ihrem Haus zu Dalroy zu verbringen. Ann war sich darüber klar, daß sie ihre Schwiegermutter häufig würde besuchen müssen: um eine Zuneigung vorzutäuschen, die sie durchaus nicht empfand – denn das wurde sicherlich von ihr erwartet. Aber sie war entschlossen, sich nicht allzuviel Mühe zu geben; es mußte genügen, wenn sie die Regeln der Höflichkeit beachtete.
Ann verschränkte die Hände hinter ihrem Kopf und blickte zu dem dämmernden Himmel des Bettes empor: sie ließ die Leute Revue passieren, die zu dem Neujahrsball geladen werden mußten. Vor allem sollte man irgendwie auskundschaften, was für auswärtige Gäste in den Hotels der Stadt Zimmer belegt hatten. In jedem
Weitere Kostenlose Bücher