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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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hatte. Das war in den Tagen geschehen, als der Urbegriff der großen Dame der Südstaaten erst im Entstehen war. Heut war die Tradition längst geschaffen; man hatte ihr nur noch nachzuleben.
    »Weißt du«, sagte Ann schläfrig zu sich selbst, »ich würde es um die Welt nicht laut sagen, aber ich glaube, ich bin ein Feigling. Nichts wünsche ich mir mehr als Sicherheit. Mir wird wohl nie etwas Aufregendes und Besonderes zustoßen; aber ich bin so sicher, so wunderbar sicher.«
II
    S obald es der Arzt erlaubte, stand sie auf; sie hatte hunderterlei Dinge zu tun. Wenn erst die Feier ihres ersten Hochzeitstages und dann die Taufe des kleinen Denis vorüber waren, so hatte sie das Weihnachts- und Neujahrsfest vorzubereiten. Sie schrieb Einladungen zu ihrem Neujahrsball, bis ihr die Finger schmerzten; noch in ihre Träume folgte ihr die Formel: »Mr. und Mrs. Larne geben sich die Ehre …« Sie besprach mit den Aufsehern, wie das Weihnachtsfest der Feldsklaven gehalten werden sollte; der Christbaum wurde in dem großen Lagerhaus aufgerichtet, bunt und glitzernd vor Silberschmuck und Rauschgold; und jeder Neger auf der Plantage bekam ein Geschenk, die Männer fest gewirkte Hemden, die Frauen Kleider und jedes Kind ein Spielzeug. Ann wollte ihre Gaben am Festmorgen selbst austeilen. Eine kleine Kapelle würde unter dem Lichterbaum ihre Banjos klingen lassen und feierlich dazu singen; dann aber sollten sie alle zum Herrschaftshaus wallen, um dem kleinen Denis ein erstes Ständchen darzubringen, bevor sie sich an ihr Festmahl setzten. »Jetzt hat die Sache wieder Schick hier auf Ardeith«, sagten ihr die Neger, als sie überall nach dem Rechten sah. »Eine junge Frau im großen Haus, das ist doch etwas anderes!« Ann lachte und antwortete, sie sollten nur tüchtig Zuckerrohr schneiden und sich so ihre Feiertage verdienen.
    Mitten in diesen Vorbereitungen erreichte sie die Nachricht, daß der Staat South Carolina aus der Union der Staaten Nordamerikas ausgetreten war. Das überraschte Ann; sie hatte vom Austritt aus dem Bund, der Sezession, reden hören, solange sie lebte, und niemals daran gedacht, es wirklich ernst zu nehmen. Jetzt sprach alle Welt davon, daß die Südstaaten geschlossen austreten und eine eigene Regierung aufrichten wollten. Zunächst war Ann nicht uninteressiert. Als aber auf sämtlichen Gesellschaften, zu denen sie jetzt geladen wurden, die Herren nichts weiter mehr besprachen als politische Fragen, wurde ihr die ganze Angelegenheit schließlich langweilig. Obwohl sie sich bemühte, den Sinn der Aufregung zu begreifen, von der fast alle ihre Freunde erfaßt waren, wurde sie doch um ihr Leben nicht schlau aus der Sache. Warum sollte eigentlich die Regierung, die so lange, wie sie denken konnte, nicht übel funktioniert hatte, plötzlich nicht mehr genügen? Einige der Herren hatten sich große Mühe gegeben, sie davon zu überzeugen, daß es sich tatsächlich nicht mehr um die gleiche Regierung handelte. Doch wenn sie ausrief: »Aber sie ist schließlich auch amerikanisch!«, so lächelten sie nachsichtig und meinten, Ann wäre viel zu hübsch, um als Blaustrumpf anerkannt zu werden.
    Denis wurde von den Ereignissen außerordentlich bewegt; aber auch er vermochte ihr die Zusammenhänge nicht zur Genüge zu erklären. Sie wußte nichts von Zolltarifen, den Kompromissen von 1850 oder den Unruhen im Staate Kansas und gelangte schließlich zu dem Schluß, daß der Austritt aus dem Bund den Politikern bedrohlich scheinen mochte – sie selbst wollte nichts damit zu tun haben.
    Außerdem war sie viel zu beschäftigt, um nachzudenken. Nach dem Neujahrsball bestellte sie das Kleid, in dem sie gemalt werden wollte. Es war ein hinreißend einfaches Abendkleid aus hellblauer Seide mit kurzen Ärmeln aus feinen Spitzen und einem Spitzenkragen, der tief unter ihrem Busen zusammengerafft war, so tief, daß die Mißbilligung in den Augen der Schwiegermutter schlechterdings nicht zu übersehen war. Aber Ann kümmerte sich nicht darum; sie war stolz auf ihren Busen und ihre schönen Schultern auch und hatte beschlossen, beide der Nachwelt nicht vorzuenthalten.
    Denis fand das Kleid bezaubernd; der Künstler, den man sich von New Orleans verschrieben hatte, bekannte galant, daß er schon lange nicht mehr so glücklich gewesen war, eine wahrhaft schöne Frau porträtieren zu dürfen. Er malte Ann am Fuß der stolzen Wendeltreppe stehend, während sie ihre Hand auf dem Schlußpfosten des Geländers ruhen ließ; von der

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