Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
einem Laden heraustreten sah, stieg er vom Pferde und ging hinüber, um sie zu begrüßen. »Ich wußte gar nicht, daß du zu Hause bist«, sagte er. »Ich wollte dir gerade schreiben, daß es mir leid tue, neulich die Beherrschung verloren zu haben, als du meinen Tennisschlag kritisiertest.«
Es war dies der äußere Anlaß ihres letzten entscheidenden Streitgespräches gewesen; sie hatte diesen Anlaß längst vergessen. Sie versuchte seinem Gesicht abzulesen, ob nur Höflichkeit und Galanterie ihn so sprechen ließen, und sagte ein wenig stockend: »Ich habe mich, glaube ich, auch ziemlich schlecht betragen. Es tut mir auch leid.«
Er lächelte: »Wann fährst du nach New York?«
»Morgen.«
Sein Lächeln veränderte sich nicht. Er sagte: »Ich hoffe, du wirst eine gute Fahrt haben.«
»Danke!« sagte Isabel.
Er verabschiedete sich höflich und stieg wieder zu Pferde. Isabel sah ihm nach. Er blickte zurück, und sie glaubte einen Ausdruck der Trauer in seinem Gesicht wahrzunehmen. Ich glaube, er sieht nicht gern, daß ich fahre, dachte sie. Wenn ich ihm jetzt sagte, ich wolle Schimmelpfeng aufgeben, würde er glücklich sein und mich mit Freuden heiraten.
Aber das war nur ein flüchtiger Gedanke; sie verwarf ihn sogleich. Am nächsten Tag fuhr sie nach New York. Das nächste, was ihre Freunde zu Hause von ihr hörten und sahen, war ein Bild von ihr im Gesellschaftsanzeiger der ›New Orleans Picayune ‹ mit der Unterschrift: »Miß Isabel Valcour, Tochter von Mr. Pierre Valcour in Dalroy, deren Verlobung mit Mr. Hermann Schimmelpfeng aus Berlin, Deutschland, heute von ihrem Vater bekanntgegeben wurde. Das junge Paar gedenkt in den ersten Tagen des kommenden Frühlings zu heiraten.«
Bald darauf kam Isabel nach Hause, um alle Vorbereitungen für die Hochzeit zu treffen. Ganz Dalroy war in Aufregung über die glänzende Partie, die Miß Valcour machen würde. Ihre alten Freundinnen bestürmten sie, um Einzelheiten zu erfahren. »Wir dachten immer, du würdest Kester Larne heiraten«, wurde ihr dann und wann gesagt. Dann lachte sie und antwortete: »Wie kommt ihr nur darauf? Ich habe nie an eine solche Möglichkeit gedacht, und ich bin überzeugt, Kester auch nicht.« Sie erhielt Brautgeschenke von den Mädchen, Partys wurden ihr zu Ehren veranstaltet; in ihrer Wohnung sammelten sich Salatschüsseln, Eßbestecke und ähnliche Gegenstände, deren Transportkosten nach Berlin ihren Wert beträchtlich übersteigen würden. Und alle Mädchen samt ihren Müttern platzten vor Neid und begriffen nicht, warum der Himmel einige Geschöpfe mit Engelsgesichtern und goldenen Haaren ausstattete und ihnen zum Überfluß dann auch noch internationale Millionäre bescherte.
Kesters Schwester Alice bestand darauf, Isabel einen Boudoirtee zu geben. Isabel konnte der Einladung nicht ausweichen und war nun also gezwungen, den Ehrengast auf Ardeith zu spielen. Sie fand hier alle Stühle und Sessel des Zimmers mit Damenwäsche belegt, die die Mädchen für ihre Aussteuer gestickt hatten. Die jungen Herren waren erst für den Abend gebeten, würden also keine Gelegenheit haben, sich beim Anblick der zarten und intimen Gebilde zu erheitern. Natürlich war auch Kester zugegen.
Als Bruder der Gastgeberin konnte Kester es nicht gut vermeiden, den Ehrengast um einen Tanz zu bitten, und Isabel als Ehrengast konnte die Bitte kaum ablehnen. Sie tanzten gemeinsam einen Walzer. Kester war unerschütterlich höflich. Aber Isabel, da sie seinen Arm fühlte, war in Gefahr, schwach zu werden. Sie grollte heimlich dem Schicksal, das so grausam war, ihr zwei Zukunftschancen zu geben und die Umstände gleichzeitig so zu arrangieren, daß sie, gleichgültig, welche Möglichkeit sie wählte, immer wünschen mußte, die andere gewählt zu haben. Sie hatten eine Zeitlang ruhig miteinander getanzt, als Kester sagte:
»Das Seidenband in deinem Haar hat gerade die richtige Farbe. Erinnerst du dich daran, wie ich dir sagte, du solltest ein kräftiges Blau tragen?«
»Ja«, sagte Isabel.
Sie biß sich auf die Lippen, sie fürchtete, jeden Augenblick aufzuschluchzen und zu sagen: »O Kester, laß mich nicht gehen!« Dann dachte sie an alles, was ihre deutsche Heirat ihr bringen würde: ein prächtiges Haus in Berlin, Ferien an der Riviera, Reichtum, Luxus und Vergnügungen aller Art. Sie kannte Schimmelpfeng; sie wußte, daß sie alles von ihm haben konnte, weil er ihren Besitz als ein unfaßbares Wunder betrachtete. Sie sah Kester an, senkte wieder den
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