Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Schuldbewußtsein, als hätte man sie über einer ihrer nicht würdigen Haltung ertappt. Kester hatte sich der Tür zugewandt.
»Sie bekommen Besuch?« fragte sie.
Er lächelte, sehr verbindlich plötzlich und sehr wohlerzogen. »Nein«, sagte er, »meine Eltern. Sie kommen von ihrem Ausgang zurück. Ich werde sie holen.«
Er durchquerte den Raum, ging hinaus und kam nach wenigen Augenblicken mit seinen Eltern zurück. Die Vorstellung ging schnell vonstatten.
Das erste, was Eleanor beim Anblick von Mr. und Mrs. Larne einfiel, war: Sie sehen wundervoll aus. Dies war ein Gefühlseindruck; was darüber hinaus sogleich ins Auge fiel, war: Sie sahen sich ähnlich. Sie waren beide groß und schlank und bewegten sich in der gleichen, seltsam anmutigen Weise. Beide sprachen sie mit weichen, melodischen Stimmen, beide wirkten sie sehr gepflegt und sehr distinguiert, und beide hinterließen sie den Eindruck sehr charmanter, sehr liebenswürdiger, leider gänzlich unnützer Wesen.
Mr. Larne bestand darauf, daß die junge Dame ein Glas Cherry mit ihnen trinken müsse. Als sie ein wenig unschlüssig zögerte, aus dem unsicheren Gefühl heraus, daß die Larnes vielleicht für sich allein sein möchten und nur einem Gebot anerzogener Höflichkeit folgten, indem sie sie zum Bleiben nötigten, versicherte Mr. Larne mit unwiderstehlichem Charme, daß Kester leider sehr selten auf den reizenden Einfall käme, so eine entzückende junge Dame mitzubringen, und daß es ihn ungemein schmerzen würde, auf ihre Gesellschaft verzichten zu müssen.
Da gab sie denn nach. Sie setzte sich wieder, verwirrt und ein wenig betäubt und nicht ohne ein heimlich belustigtes Prickeln: Meinen diese Leute eigentlich, was sie sagen? Wahrhaftig, es war nicht festzustellen. Sie beschloß, ein Glas Cherry zu trinken und dann zu gehen. Mrs. Larne gab ihren großen Federhut einem Mädchen; Cameo erschien und brachte eine Karaffe und Gläser.
Denis Larne II und Lysiane St. Clair, erinnerte sich Eleanor. Dies also war Kesters Vater. Ein Gentleman, ohne Zweifel! Ein Mann, bei dem jedes Ding im Leben seinen unverrückbar festen Platz hatte. Sicherlich kannte er die guten Weinjahrgänge und die besten Zigarren. Sicherlich konnte er geistvolle Stellen aus modernen Romanen zitieren, liebte Debussy und hatte eine Vorliebe für moderne Tanzmusik. Zweifellos besaßen er und Lysiane ein klares Urteilsvermögen und verstanden es, eine Atmosphäre von Bildung und Wohlerzogenheit um sich zu verbreiten, aber wie, um alles in der Welt, hatte dieses zerbrechliche Porzellanpaar einen Mann wie Kester hervorbringen können?
»Sie weilen auf Besuch in der Nachbarschaft, Miß Upjohn?« fragte Denis Larne, während er ihr den Cherry kredenzte.
Eleanor rief ihre Gedanken zur Ordnung: »Ja. Ich wohne in New Orleans.«
»In New Orleans. Ich dachte es mir. Ich glaube, Ihre Familie zu kennen, obgleich ich zu meiner Beschämung im Augenblick nicht weiß, wo ich sie unterbringen soll.«
Eleanor lächelte: »Sie werden von meinem Vater gehört haben. Er baut den neuen Deichabschnitt, der die Ardeith-Plantage begrenzt.«
»Oh, sehen Sie an. Ich glaube, etwas der Art hatte ich in Erinnerung.« Und er reichte ihr mit einer zierlichen Verneigung das Glas.
»Wie das schimmert!« Eleanor hielt das Gläschen hoch, daß die vom Fenster hereindringenden rötlichen Strahlen sich in dem Kristall und in der roten Glut des Cherrys brachen.
Lysiane stimmte lächelnd zu. »Ich habe oft gesagt, daß ich mir nichts aus solchen Getränken machen würde, wenn ich sie nicht sehen könnte.« Sie sah zu Kester hinüber, der wieder am Kamin lehnte: »Ist Post eingegangen, mein Lieber?«
»Ja, Madam, ein paar Briefe aus New Orleans. Vermutlich Einladungen zu Karnevalsbällen.«
Bei dem Wort Karneval hellte sich Mr. Larnes Gesicht um eine Nuance auf. »Ach, es wird auch Zeit, daß wir nach New Orleans zurückkehren«, bemerkte er.
Eleanor blickte überrascht auf: »Sie leben nicht hier?«
»Vaters Gesundheit läßt etwas zu wünschen übrig«, erklärte Kester. »Meine Eltern haben deshalb schon vor ein paar Jahren die Bearbeitung der Plantage abgegeben und leben seitdem in New Orleans. Sie kommen nur über Weihnachten nach Ardeith herauf.«
»Oh!« Sie war wohl ein wenig überrascht; ihr Blick streifte Kesters Gesicht: »Ist es da nicht oft sehr einsam für Sie in dem großen Haus?«
»Warum? Nein!« Er lächelte sie an.
»Meine Liebe«, sagte Mrs. Lane. »Sie kennen das nicht. Entweder befindet
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