Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
sie am Nachmittag zu einer Spazierfahrt abholen würde. Er fragte nicht erst an, ob es ihr recht wäre, er setzte das offenbar voraus. Isabel, die dieses ausgeprägte Selbstbewußtsein schlechterdings unerträglich fand, spielte mit dem Gedanken, wenn er käme, durch einen Diener ausrichten zu lassen, sie sei ausgegangen, aber als er tatsächlich kam, wartete sie schon auf ihn.
Keiner ihrer sonstigen Verehrer würde gewagt haben, ihr eine Geschichte zu schicken, in der von einer Dame die Rede war, die in ungeweihter Liebe schwelgte; zu Kester schienen dergleichen Unmöglichkeiten irgendwie zu passen. Und auch in den nun folgenden Wochen dachte Kester gar nicht daran, sie nach dem in ihren Kreisen üblichen Formenritus zu behandeln, der erfolgreich verhinderte, daß ein junger Herr und eine junge Dame etwas Wissenswertes übereinander erfuhren. Er ging mit ihr frisch und geradezu um wie mit einem x-beliebigen Einzelwesen. Für Isabel bedeutete das eine neue, höchst interessante Erfahrung. Sie begegneten sich fortan immer häufiger, und nicht sehr lange währte es, da sahen sie einander jeden Tag.
Dabei wußte Isabel genau, daß sie unbesonnen handelte. Kester besaß nichts von dem, was sie von ihrem künftigen Ehemann erwartete, aber er war so charmant, wußte so fesselnd zu erzählen, und es war so angenehm, an seiner Seite zu gehen, daß Isabel schließlich vor sich selbst bange wurde und nachts zu beten begann: »O lieber Gott, bitte, laß mich nicht Kester Larne lieben!«
Und doch fühlte sie von Tag zu Tag mehr, wie es auf sie zukam. Sie fühlte, wie Kester ohne jegliche Anstrengung seinerseits ihre Traumschlösser zu zerschlagen begann. Noch lange so fort, und sie würde nicht mehr imstande sein, ihn zu verlassen und weiter den Zielen nachzujagen, die sie ihrem Ehrgeiz gesetzt hatte. Immer wieder, wenn er sie besuchte, dachte sie: Es muß das letzte Mal gewesen sein – und immer wieder zerplatzte ihr Entschluß wie Seifenschaum, wenn sie seinen Schritt in der Vorhalle hörte. Als sie es dann schließlich eines Abends in ihrem eigenen Wohnzimmer geschehen ließ, daß er sie küßte, flammte es zuerst wild in ihr auf, gleich darauf stürzte die Erkenntnis dessen, was geschehen war, sie in jähes und weitsichtiges Erschrecken. Sie ließ ihn allein und stürzte in ihr Schlafzimmer hinunter. Hier stand sie, bebend am ganzen Leib, und dachte: Das ist es! Das ist es also! All die närrischen Frauen, über die ich immer gelacht habe, weil sie ihr ganzes Leben für etwas dahingeben, was sie Glück oder Liebe oder Leidenschaft nannten, das also ist es, was sie verzauberte! Das ist die Liebe! O lieber Gott im Himmel, laß mich nicht schwach werden! Laß mich nicht mein ganzes Leben auf einer alten Plantage zubringen!
Ihre Furcht vor sich selbst war so groß, daß eine unerwartete Einladung ihrer New Yorker Verwandten, ein paar Wochen in ihrem Sommerlandhaus in Westchester zu verbringen, ihr wie eine Antwort des Himmels auf ihr inbrünstiges Gebet erschien. Sie floh vor Kester und ahnte nur dunkel, daß sie sich selbst zu entfliehen gedachte. Kester schrieb ihr einen harmlos-heiteren Brief, er hoffe, sie werde schöne Ferientage haben; er vermisse sie sehr, es sei sehr einsam ohne sie. Aber nicht eine Zeile des Briefes verriet eine glühende Empfindung. An dieser scheinbaren Gleichgültigkeit rankte sich Isabels Entschluß empor, die gefährliche Beziehung nunmehr endgültig zu lösen. Ungeachtet dessen kreisten ihre Gedanken nach wie vor um Kester, und mit leiser Erbitterung gestand sie sich ein, daß er ihr offensichtlich weniger gleichgültig war als sie ihm. Den Brief beantwortete sie nicht.
Onkel und Tante aus New York waren entzückt von Isabel. Sie hatten sie seit ihrer Kleinmädchenzeit nicht mehr gesehen und hatten vielleicht nicht erwartet, eine so auffallend schöne junge Dame zu erblicken. In ihrem Hause in Westchester traf Isabel mit zahlreichen jungen Männern zusammen, und wie immer feierte sie sehr bald rauschende Triumphe. Da Kester nicht da war und sein unmittelbarer Einfluß sie nicht verwirren konnte, ließ sie bald ihre Blicke in gewohnter Weise umherschweifen, um nach geeigneten Opfern für ihre ehrgeizigen Heiratspläne Ausschau zu halten. Unter den Gästen befand sich ein junger Deutscher namens Schimmelpfeng, der augenblicklich Amerika bereiste und von ihrem Onkel in sein Landhaus eingeladen worden war. Der Vater Schimmelpfengs war Inhaber einer bedeutenden Textilgesellschaft, mit der die
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