Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
ein gedankenloser junger Mann, der seiner losen Streiche wegen gerade noch daran vorbeikam, vom Studium ausgeschlossen zu werden. Ein Mann dieser Art hatte auf der Bestimmungskarte ihres Lebens von vornherein nichts verloren.
Aber da war Kester nun selbst. Er fehlte bei keiner Geselligkeit; man traf ihn überall; er ließ sich zu Kotillontänzen einschreiben, und sie sah sich nicht immer imstande, nein zu sagen, denn Kester war ein hübscher, eleganter junger Mann aus guter Familie, von dem ein höchst gefährlicher und wirkungsvoller Zauber ausstrahlte. Er mochte nicht mehr als ein müßiger Jüngling sein, aber dann war er ganz gewiß der faszinierendste Müßiggänger, den sie jemals gesehen hatte; nicht nur ein höchst erfreulicher Anblick, sondern auch ein vorzüglicher Tänzer. Und überdies war er der einzige Mann, der ihr den Eindruck vermittelte, er wisse mehr von Frauen, als sie von Männern wußte.
Als sie eines Abends einen Walzer begannen – Isabel in einer Wolke von blaßblauem Tüll – fragte Kester abrupt: »Du bist wohl noch zu jung, um Schwarz zu tragen, wie?«
»Warum?« fragte Isabel.
»Du bist wundervoll, wie du bist, Isabel«, antwortete er, »aber in schwarzer Seide müßte dein Körper zu schlechthin unwiderstehlicher Wirkung kommen.«
Isabel stockte und fühlte wütend, daß sie unsicher wurde. War er absichtlich so unverschämt, oder war er zu naiv, um zu wissen, was er sagte? Er hatte ein geringschätziges Lächeln um den Mund, ein Lächeln, das gleichzeitig vertraulich wirkte und nicht ohne Zärtlichkeit war. Aber seine Augen sahen sie so offen an, daß sie ein Gefühl hatte wie bei einem arithmetischen Problem, dessen Lösung keine Schwierigkeiten bot. »Ich weiß nicht, worüber du sprichst«, sagte sie.
»O ja, das weißt du sehr wohl«, entgegnete Kester. »Gib dir weiter keine Mühe; ich bin schon fasziniert genug; du kannst dir weitere Anstrengungen sparen.«
Sie unterbrach den Tanz. »Ich wäre dir dankbar, wenn du mich zu meinem Tisch zurückführen würdest«, sagte sie.
Als ob er die Aufforderung gar nicht gehört hätte, rief Kester plötzlich frohlockend aus: »Ich habe es: Schwarz würde jetzt noch nicht zu dir passen, aber hast du jemals versucht, ein etwas gewaltsames Blau zu tragen? Es gibt nicht viele Blonde, die ich in leuchtenden Farben sehen möchte, aber du würdest darin aussehen wie ein heidnisches Idol.«
Isabel war an diesen Ratschlägen so interessiert, daß sie darüber völlig vergaß, daß sie ja empört war; sie ließ sich von Kester an die Seite des Tanzsaales führen und gestattete ihm, sich neben ihr niederzulassen, während die anderen Paare weitertanzten. Er sprach unverdrossen auf sie ein:
»Die blassen Farben, die du in der Regel trägst, lassen dich zu unbedeutend erscheinen. Du siehst aus wie Elaine, aber du solltest wie Franziska aussehen.«
»Wer ist Franziska?« fragte Isabel.
»Eine Dame, die für ihre Liebe zur Hölle fuhr«, sagte Kester. »Du würdest das zweifellos niemals tun, nicht wahr? Aber, wie gesagt, du solltest so aussehen, als wärest du dazu bereit.«
»Wirklich?« rief sie aus und begann sich unbehaglich zu fühlen.
»Ja, wirklich. Du hast deinen Typ mißverstanden, Miß Isabel.«
Isabel lachte und ließ sich zum Tanzplatz zurückführen. Sooft ihre sonstigen Engagements es erlaubten, war sie im Laufe des Abends mit Kester zusammen. Als er sie schließlich bei ihrer Tante Agnes ablieferte, um sie nach Hause bringen zu lassen, sagte er mit leiser Stimme: »Ich danke dir für die reizenden Stunden. Und willst du versuchen, ein tiefblaues Kleid zu probieren?«
»Ja«, lachte Isabel. »Ich will es versuchen, aber ich weiß wirklich nicht, wer Franziska war.«
»Ich werde dir morgen früh ein Buch herüberschicken, worin du es nachlesen kannst«, versprach Kester. Er bog seinen Kopf näher zu ihr heran, damit Tante Agnes nicht hören könne, was er sagte: »Nebenbei«, raunte er, »du bist die großartigste aller schönen Frauen, die ich jemals gesehen habe.«
Am nächsten Tage kam an Stelle der faden, süßlichen Rosen, die er eigentlich hätte schicken müssen, ein prachtvoller Band von Dantes ›Inferno‹, umwunden von einem langen königsblauen Seidenband, dessen eingelegter Zipfel die Stelle anzeigte, die sie nachlesen sollte, jene Stelle, die von der nie erlöschenden, alle Nebel der Hölle überwindenden Glut der Liebe spricht. Dem Buch lag ein Kärtchen von Kester bei, mit dem er ihr ankündigte, daß er
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