Lourdes
bekommen. Dazu gehörte die Unserer Lieben Frau von Fourvières mit dem Stadtwappen von Lyon, die elsässische aus schwarzem Samt mit Goldstickerei, die aus Lothringen, auf der man eine Jungfrau sieht, die mit ihrem Mantel zwei Kinder bedeckt, und die aus der Bretagne, blau und weiß, mit einem blutigen heiligen Herzen inmitten eines Strahlenkranzes. Alle Kaiserreiche, alle Königreiche der Erde fanden sich hier vertreten. Die fernsten Länder, Kanada, Brasilien, Chile, Haiti hatten ihre Banner aufgehängt, mit denen sie der Königin des Himmels fromme Ehrfurcht erwiesen hatten.
Neben den Fahnen war noch ein Wunderding zu sehen, nämlich die Tausende und aber Tausende von goldenen und silbernen, überall angehefteten Herzen, die an den Wänden leuchteten wie die Sterne am Firmament. Sie bildeten dort mystische Rosen, Blumengewinde und Blütenkränze, die an den Säulen emporstiegen, die Fenster einfaßten und die tiefen Kapellen wie Sternbilder erhellten. Man hatte den sinnreichen Gedanken gehabt, mit diesen Herzen die verschiedenen Worte, die die Heilige Jungfrau an Bernadette gerichtet, in großen Buchstaben unter die Kuppel zu schreiben. So zog sich ein langer Fries um das Kirchenschiff herum, der die Freude der kindlichen Seelen ausmachte, die sich angelegentlich mit dem Buchstabieren der Worte beschäftigten. Die unendliche Zahl dieser stets sich vermehrenden lodernden Wunderherzen wirkte erdrückend, wenn man an alle die vor Dankbarkeit zitternden Hände dachte, die sie zum Geschenk gegeben hatten. Übrigens traten viele Votivbilder, und darunter die unerwartetsten, auch als Beigaben zum Kirchenschmuck auf. Unter Glas und Rahmen sah man Blumensträuße von Neuvermählten, Ehrenkreuze, Juwelen, Photographien, Rosenkränze und sogar Sporen. Es waren Offiziersachselstücke und auch Degen dabei. Unter diesen befand sich ein prächtiger Säbel, der als Andenken an eine wunderbare Bekehrung zurückgelassen worden war.
Aber noch andere Reichtümer strahlten auf allen Seiten: Marmorstatuen, mit Diamanten geschmückte Diademe, ein wunderschöner, von den Damen von ganz Frankreich gestickter Teppich, und eine goldene, mit Email verzierte Palme, die der Papst gesandt hatte. Auch die von den Gewölben herabhängenden, teilweise massiv goldenen Lampen von feinster Arbeit waren Weihgeschenke. Man konnte sie nicht mehr zählen, sie schimmerten im Schiff der Kirche gleich kostbaren Gestirnen. Vor dem Tabernakel hing die von Irland gespendete Lampe, ein Meisterwerk der Ziselierkunst. Wieder andere, wie die von Valence, Lille, Macao und die aus dem Innern von China geschickten waren wirkliche Kleinodien und funkelten von edeln Steinen. Welch ein Glanz erstrahlte, wenn bei den großen abendlichen Zeremonien die zwanzig Kronleuchter des Chors angezündet waren, wenn Hunderte von Lampen und Hunderte von Kerzen gleichzeitig brannten! Dann loderte die ganze Kirche, und alle kleinen Flammen des erleuchteten Gotteshauses spiegelten ihre Lichter in den tausend Feuern der Tausende von goldenen und silbernen Herzen wider. Dann entstand ein wunderbares Glühen, die Wände rieselten von lebhaft sprühenden Funken, man trat ein in die blendende Herrlichkeit des Paradieses, und dazwischen entrollten die unzähligen Fahnen auf allen Seiten ihre Seide, ihren Atlas und Samt, bestickt mit blutenden Herzen, sieghaften Heiligen und Bildern der Jungfrau, deren gütiges Lächeln Wunder wirkte.
Ach, wie viele Zeremonien hatten in dieser Basilika schon ihre Pracht entfaltet! Nie hörten Gottesdienst, Gebet und Gesänge darin auf. Von einem Ende des Jahres zum andern brannte der Weihrauch, dröhnte die Orgel und beteten kniende Menschenmassen aus ganzer Seele. Ununterbrochen wurden Messen gelesen, dann kamen die Vesper, die Predigten, die Segensspendungen, ferner die sich täglich wiederholenden Andachtsübungen und die mit einer Pracht sondergleichen gefeierten Feste. Die geringsten Jahrestage wurden zum Vorwand für hochheilige Feierlichkeiten. Jeder Pilgerzug sollte seinen Teil an dem blendenden Schauspiel erhalten. Diese demütigen Dulder, die aus weiter Ferne kamen, mußte man doch getröstet und entzückt in die Heimat entlassen, wenn sie die Vision des halbgeöffneten Himmels mit sich nahmen. Sie hatten die Herrlichkeit Gottes geschaut und würden die Erinnerung daran in ewiger Ekstase bewahren. In der Tiefe armseliger, nackter Kammern und vor elenden Krankenbetten tauchte in der ganzen Christenheit die Basilika mit ihren flammenden
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