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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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Es ist ein unbewohntes Zimmer, und wenn Sie darauf bestehen, meinetwegen ja, eine Rumpelkammer!«
    Seine mit etwas Scham gemischte Verlegenheit nahm zu. Doktor Chassaigne blieb still und trat nicht dazwischen. Aber er lächelte und war augenscheinlich entzückt darüber, daß sein Gefährte sich gegen die menschliche Undankbarkeit auflehnte.
    Dieser konnte sich nicht beherrschen und fuhr fort:
    »Entschuldigen Sie, Herr Vikar, wenn ich wirklich darauf bestehe. Aber bedenken Sie doch, daß Sie Bernadette alles zu verdanken haben und daß Lourdes ohne sie eine der unbekanntesten Städte Frankreichs wäre ... Und meiner Ansicht nach hätte die Dankbarkeit des Kirchspiels dieses elende Zimmer wahrhaftig in eine Kapelle umwandeln müssen ...«
    »Oh, in eine Kapelle!« unterbrach ihn der Vikar, »es handelt sich doch nur um ein menschliches Wesen, und die Kirche könnte ihm keinen Kultus weihen.«
    »Nun gut! Sagen wir nicht eine Kapelle, sondern sagen wir, es müßten hier Lichter, Blumen und Rosensträuße aufgestellt sein, die durch die Pietät der Einwohner und Pilger fortwährend zu erneuern wären ... Mit einem Wort: ich möchte ein wenig Zärtlichkeit, ein von gerührten Herzen gespendetes Andenken, ein Bild der Bernadette oder irgend etwas sehen, was in zarter Weise Zeugnis ablegt von dem Platz, den sie in aller Herzen behaupten muß ... Dieses Vergessen, die Vernachlässigung und der Schmutz, in den man das Zimmer verfallen ließ, sind abscheulich!«
    Der Vikar, ein armer, unwissender und leicht beunruhigter Mann, trat sofort Pierres Ansicht bei.
    »Im Grunde haben Sie tausendmal recht. Aber ich habe keine Macht, ich selber kann nichts in der Sache tun! ... Sobald man das Zimmer von mir begehrt, um es einzurichten, werde ich es hergeben. Ich werde meine Fässer fortschaffen, obgleich ich wirklich nicht weiß, wo ich sie unterbringen soll ... Aber ich wiederhole, das hängt nicht von mir ab. Ich kann nichts, gar nichts in der Sache tun!«
    Unter dem Vorwand, daß er einen Weg zu machen habe, nahm er in Eile Abschied und machte sich aus dem Staube, indem er zum Doktor Chassaigne aufs neue sagte:
    »Bleiben Sie! Bleiben Sie, solange es Ihnen gefällt. Sie stören mich nie.«
    Als der Doktor sich mit Pierre wieder allein befand, faßte er im überströmenden Erguß einer freudigen Empfindung dessen Hände.
    »Ach, mein teures Kind!« sagte er, »welches Vergnügen haben Sie mir soeben bereitet! Wie haben Sie ihm gesagt, was schon seit langem in meinem Herzen kocht! ... Ich, wahrhaftig, hatte die Idee, jeden Morgen Rosen hierher zu bringen. Ich hätte einfach das Zimmer reinigen lassen und würde mich begnügt haben, zwei dicke Rosensträuße auf den Kamin zu stellen. Sie wissen ja, ich habe Bernadette eine unendliche Zärtlichkeit gewidmet, und es schien mir, diese Rosen würden hier das Aufblühen, den Glanz und Duft ihres Andenkens darstellen ... Aber, aber ...«
    Er machte eine hoffnungslose Gebärde.
    »Mir hat stets der Mut dazu gefehlt ... Ja, ich sage der Mut. Noch niemand hat es gewagt, sich offen gegen die Patres von der Grotte zu erklären ... Man zögert, man weicht zurück vor einem religiösen Ärgernis. Denken Sie, welchen beklagenswerten Skandal es verursachen würde. Darum sind die, die sich gleich mir entrüsten, gezwungen zu schweigen, und bleiben lieber still.«
    Schließlich fügte er noch hinzu:
    »Mein liebes Kind! Um die Undankbarkeit und die Raubgier der Menschen ist es eine sehr traurige Sache. Sooft ich hierher in dieses dunkle Elend komme, wird mir das Herz so schwer, daß ich meine Tränen nicht zurückhalten kann.«
    Er hörte auf zu reden. Beide sprachen kein Wort mehr, beide waren von einer von dem Zimmer ausgehenden, drückenden Schwermut befallen. Finsternis umhüllte sie, die Feuchtigkeit inmitten der verfallenden Wände und des Staubs der angehäuften alten Lumpen ließ sie erbeben. Wiederum tauchte der Gedanke in ihnen auf, daß ohne Bernadette nichts von den Wundern bestehen würde, die aus Lourdes eine Stadt gemacht hatten, wie es in der Welt keine zweite gibt. Denn ihre Stimme hatte die wunderbare Quelle hervorsprudeln und die im Licht der Kerzen flammende Grotte öffnen lassen. Ungeheure Arbeiten wurden ausgeführt, neue Kirchen wuchsen aus dem Boden hervor, riesige Rampen führten zu Gott, und eine ganze neue Stadt wurde gegründet mit Gärten und Spazierwegen, mit Quais und Brücken, mit Läden und Gasthöfen. Die entferntesten Völker der Erde strömten in Massen herbei, und

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