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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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nicht kannte, mißtrauisch und verstört, und in seinem Gehirn spukten beunruhigende Vermutungen. Es brachte ihn in Verzweiflung, sie so fortgehen zu lassen, nachdem er sich selbst bloßgestellt hatte. Wenn er seine allzu heftigen Worte gegen die Patres wenigstens noch hätte zurücknehmen können. Daher gab er auch seinem Verlangen, die Unterhaltung zu erneuern, nach, als Herr von Guersaint aufstand, um sich das Kinn zu waschen.
    »Haben Sie von dem gestrigen Wunder gehört? Die Stadt ist außer sich darüber, mehr als zwanzig Personen haben es mir schon erzählt. Ja, es scheint ihnen ein außerordentliches Wunder gelungen zu sein. Eine gelähmte junge Dame ist aufgestanden und hat ihr Krankenwägelchen bis in den Chor der Basilika gezogen.«
    Herr von Guersaint, der im Begriff war sich wieder zu setzen, nachdem er sich abgetrocknet hatte, ließ ein wohlgefälliges Lachen hören.
    »Diese junge Dame ist meine Tochter.«
    Bei diesem plötzlichen, glücklichen Lichtstrahl strahlte Cazaban. Beruhigt vollendete er die Frisur unter einem Schwall von Worten und Bewegungen, die er plötzlich wiedergefunden hatte.
    »Ich sage Ihnen meinen aufrichtigsten Glückwunsch, ich bin geschmeichelt, Sie bedient zu haben. Wenn die Tochter geheilt wird, das genügt einem Vaterherzen, nicht wahr?«
    Und nun fand er auch für Pierre ein liebenswürdiges Wort. Als er sich entschloß, sie gehen zu lassen, sah er den Priester mit gerührter Miene an und sagte als verständiger Mann, der wünscht, über die Wunder ein endgültiges Urteil zu fällen:
    »Es kommen für alle Welt glückliche Wunder vor, Herr Abbé. Von Zeit zu Zeit brauchen wir ein solches Wunder.«
    Draußen mußte Herr von Guersaint den Kutscher suchen, der noch immer mit dem Mädchen scherzte, dessen von Wasser triefender Hund sich in der Sonne schüttelte. Übrigens führte sie der Wagen in fünf Minuten an den Fuß des Plateau de la Merlasse zurück. Der Gang hatte doch eine halbe Stunde in Anspruch genommen, und Pierre wollte den Wagen behalten in der Absicht, Marie die Stadt zu zeigen, ohne sie allzusehr zu ermüden. Während der Vater nach der Grotte eilte, um seine Tochter abzuholen, wartete er hier unter den Bäumen.
    Sofort knüpfte der Kutscher mit dem Priester eine Unterhaltung an. Er hatte sich eine andere Zigarette angesteckt und zeigte sich sehr vertraulich. Er war aus einem Dorfe aus der Umgegend von Toulouse und konnte sich nicht beklagen, denn er verdiente in Lourdes schönes Geld. Man aß hier gut, amüsierte sich, man konnte die Stadt eine gute Gegend nennen. Er sagte diese Dinge mit der Sorglosigkeit eines Mannes, den seine religiösen Bedenken nicht besonders störten, ohne die Achtung zu vergessen, die er einem Geistlichen schuldig war.
    Endlich ließ er von seinem Bock aus, halb liegend, während eins seiner Beine herabhing, langsam die Worte fallen:
    »Ach ja, Herr Abbé, Lourdes hat ganz gut angefangen, aber die Hauptsache ist, ob es lange dauern wird.«
    Von dem Worte höchst betroffen, überlegte Pierre dessen unwillkürliche, tiefe Bedeutung, als Herr von Guersaint, der Marie führte, wieder erschien. Er hatte sie noch an demselben Platze, in dasselbe Dankgebet versunken zu den Füßen der Heiligen Jungfrau gefunden, und es schien, als habe sie die ganze Flammenglut der Grotte in ihren Augen mit fortgetragen, so leuchteten sie in der göttlichen Freude über ihre Heilung. Sie war unter keinen Umständen dafür, den Wagen zu behalten, nein, nein! Sie zog vor, zu gehen, es kam ihr wenig darauf an, die Stadt zu sehen, wenn sie nur noch eine Stunde lang am Arm ihres Vaters durch die Gärten, die Straßen, die Plätze oder wohin man sonst wollte, gehen würde! Und als Pierre den Kutscher bezahlt hatte, war sie ganz entzückt, mit kleinen Schritten am Rande der mit Blumenbeeten geschmückten Rasenplätze unter den großen Bäumen spazierenzugehen.
    Es war alles schön und frisch, die Gräser, Blätter, die einsamen schattigen Alleen, in denen man das ewige Rieseln des Gave vernahm. Dann wünschte sie, in die Straßen, unter die Menge zurückzukehren, um hier die Bewegung, das Leben, den Lärm wiederzufinden, nach dem sich ihr ganzes Wesen sehnte.
    Als Pierre in der Rue Saint-Josoph das Panorama bemerkte, in dem man noch die alte Grotte mit der knienden Bernadette am Tage des Kerzenwunders sah, hatte er die Idee einzutreten. Marie war glücklich darüber wie ein Kind, und selbst Herr von Guersaint bezeugte die unschuldigste Freude, besonders, als er

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