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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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um Schweigen zu gebieten. Nun konnte der Priester mit seiner schönen, durchdringenden Stimme seine Vorlesung beginnen, da er alle erwacht sah und die Neugier dieser großen Kinder erregt war, die diese wunderbare Erzählung begeisterte. Jetzt handelte es sich um den Aufenthalt in Nevers und den Tod der Bernadette. Aber wie er es früher beide Mal getan hatte, so hörte er auch jetzt bald auf, sich an den Text des kleinen Buches zu halten, und verwob das, was er wußte, mit dem, was er erriet, zu einer reizenden Erzählung. Und wieder erstand für ihn die wahre, menschliche, erbarmungswürdige Geschichte, die niemand erzählt hatte und die ihm das Herz zerriß.
    Es war am 8. Juli 1866, als Bernadette Lourdes verließ. Sie reiste ab, um sich in Nevers in das Kloster von Saint-Gildard einzuschließen, in dem Mutterhaus der Schwestern des Hospizes, in dem sie lesen gelernt hatte und in dem sie seit acht Jahren lebte. Sie war damals zweiundzwanzig Jahre alt. Schon war es acht Jahre her, daß die Heilige Jungfrau ihr erschienen war. Ihr Abschied von der Grotte, von der Basilika, von der ganzen Stadt, die sie liebte, war sehr schmerzlich. Aber sie konnte dort nicht weiterleben, denn beständig wurde sie von der öffentlichen Neugier, von Besuchen, Huldigungen und Anbetungen verfolgt. Ihre schwächliche Gesundheit hatte schließlich grausam darunter zu leiden. Ihre aufrichtige Demut, eine schüchterne Liebe zum Dunkel und zum Schweigen hatten ihr schließlich den glühenden Wunsch eingegeben, zu verschwinden und den weithin schallenden Ruhm einer Auserkorenen, die die Welt nicht in Frieden lassen wollte, im tiefen Grunde unbekannter Schatten zu verbergen. Und sie träumte nur von der Einfachheit des Geistes, von dem ruhigen, gewöhnlichen, dem Gebet und den kleinen, täglichen Beschäftigungen geweihten Leben. Diese Abreise war also eine Befreiung für sie und für die Grotte, der sie mit ihrer allzu großen Unschuld und ihren allzu großen Übeln lästig zu werden anfing.
    Saint-Gildard in Nevers mußte ein Paradies gewesen sein. Sie fand hier frische Luft, Sonne, weite Stuben und einen großen, mit schönen Bäumen bepflanzten Garten. Aber dennoch erfreute sie sich hier nicht des Friedens, des vollständigen Vergessens der Welt in der fernen Wüste. Kaum zwanzig Tage nach ihrer Ankunft hatte sie unter dem Namen der Schwester Marie-Bernard das heilige Gewand angelegt, sich aber nur durch einzelne Gelübde verpflichtet. Aber trotzdem hatte die Welt sie begleitet, wieder begann die Menge, sie zu verfolgen. Bis in die Klosterzelle bedrängte man sie mit dem unauslöschlichen Wunsche, Gnadenbeweise von ihrer heiligen Person zu erlangen. Oh, man wollte sie nur sehen, sie berühren, sich Glück verschaffen, indem man sie betrachtete, und ohne ihr Wissen irgendeine Münze an ihrem Kleide reiben! Die gläubige Leidenschaft für den Fetisch machte sich geltend. Die Frommen fielen über sie her und quälten dieses zum lieben Gott gewordene arme Wesen, von dem jeder seinen Teil der Hoffnung und der göttlichen Illusion haben wollte. Sie weinte darüber vor Erschöpfung, vor ungeduldiger Entrüstung und wiederholte: »Was haben sie denn, daß sie mich so quälen? Bin ich denn mehr als die anderen?« Auf die Dauer erfaßte sie ein wirklicher Schmerz, in dieser Weise das »Wundertier« zu sein, wie sie schließlich, mit einem traurigen Lächeln des Leidens, sich selber nannte. Sie schloß sich soviel wie möglich ein und weigerte sich, jemanden zu sehen. Man achtete ihren Wunsch und zeigte sie nur in ganz engem Kreise, bei gewissen Gelegenheiten den vom Bischofe dazu ermächtigten Personen. Die Tore des Klosters blieben geschlossen. Fast nur die Geistlichen erzwangen sich den Eintritt. Aber auch das war für ihren Wunsch nach Einsamkeit noch zuviel. Sie mußte sich oft eigensinnig zeigen, um die Priester fortschicken zu lassen, und weigerte sich, in das Sprechzimmer hinabzukommen. Sie war darüber empört und fühlte sich für die Heilige Jungfrau selbst verletzt. Aber manchmal mußte sie nachgeben. Monsignore brachte in eigener Person bedeutende Leute mit, Würdenträger und Prälaten. Dann zeigte sie sich mit ihrer ernsten Miene, antwortete höflich, aber so kurz wie möglich und fühlte sich erst wieder behaglich, wenn man sie in ihren dunklen Winkel zurückkehren ließ. Niemals hatte die Göttlichkeit so schwer auf einem Geschöpf gelastet. Als man sie eines Tages fragte, ob sie auf die beständigen Besuche ihres Bischofs nicht

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