Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
Vom Netzwerk:
eines Harmoniums entzückt. Louise Pourchet, bis zu ihrem fünfundvierzigsten Lebensjahre stumm, rief plötzlich vor der Grotte: »Ich grüße dich, Marie!« und noch viele andere mehr, die alle dadurch vollständig geheilt wurden, daß sie einige Tropfen von dem Wasser in ihre Ohren oder auf ihre Zunge träufelten. Dann kamen die Blinden: Pater Hermann, der gefühlt hatte, wie die Heilige Jungfrau mit sanfter Hand den Schleier fortzog, der vor seinen Augen schwebte. Fräulein von Pontbriant, der der Verlust beider Augen gedroht hatte und die infolge eines Gebetes bessere Augen bekam, als sie früher besessen hatte. Ein Kind von zwölf Jahren, dessen Pupillen Marmorkügelchen glichen, und das in drei Sekunden wieder klare und tiefe Augen bekam, aus denen die Engel herauszulächeln schienen. Vor allen aber sind es Gelähmte, die sich wieder frei bewegen, Lahme, die wieder gerade gehen können, solche, die sich von ihrem Siechbett nicht zu rühren imstande waren und zu denen der Herr sagte: »Erhebe dich und geh!« Der gelähmte Delaunoy, der schon fünfzehnmal in Pariser Hospitälern gewesen war, von wo er die übereinstimmenden Diagnosen von zwölf Ärzten mitbrachte, fühlt plötzlich eine Kraft in sich, die ihn beim Vorüberziehen des heiligen Sakramentes in die Höhe treibt und ihn in den Stand setzt, mit gesunden Beinen zu folgen. Marie Luise Delgron, vierzehn Jahre alt, deren Beine infolge der Lähmung steif, deren Hände zusammengezogen und deren Mund schief geworden war, sah ihre Glieder wieder geschmeidig werden und sich strecken und die Verzerrung des Mundes verschwinden, als hätte eine unsichtbare Hand die entsetzlichen Bande zerschnitten, die sie entstellten. Marie Vachier, seit siebzehn Jahren an ihren Krankenstuhl gefesselt, lief und sprang nicht nur, nachdem sie aus dem Weiher gestiegen war, sondern fand sogar nicht einmal die Spuren der Wunden wieder, mit denen ihr Körper sich infolge ihrer langen Regungslosigkeit bedeckt hatte. Georges Hauquet, der an Rückenmarkserweichung litt und vollständig gefühllos war, wird ein kerngesunder Mensch. Und Leonie Charton, die ebenfalls Rückenmarkserweichung hatte und deren Wirbelknochen einen Höcker bildeten, fühlt, wie die Verkrümmung ihres Rückgrates verschwindet, wie ihre Beine sich strecken und kräftig und wie neu geschaffen werden.
    Dann kämen noch alle Arten von Übeln an die Reihe. Zuerst die verschiedenen skrofulösen Krankheiten. Marguerite Gehier, die seit siebenundzwanzig Jahren an Hüftweh litt, deren Hüfte von der Krankheit ganz zerfressen und deren rechtes Knie gelähmt war, fiel plötzlich auf dieses Knie nieder, um der Heiligen Jungfrau für ihre Rettung zu danken. Philomene Simonneau, eine junge Vendeerin, deren linkes Bein drei fürchterliche Wunden hatte, auf deren Grunde die angefaulten Knochen sichtbar wurden, ließ plötzlich die Krücken fallen, und ihre Knochen, ihr Fleisch und ihre Haut bildeten sich neu. Dann kamen die Wassersüchtigen: Frau Ancelin, deren Füße, deren Hände und deren ganzer Körper abschwollen, ohne daß man hätte sagen können, wo all das Wasser abgeflossen wäre. Fräulein Montagnon, der man zu wiederholten Malen zweiundzwanzig Liter Wasser abgezapft hatte, entleerte sich, als sie von neuem angeschwollen war, nach Anlegung einer einfachen Kompresse, die man in die wunderwirkende Quelle getaucht hatte, ohne daß man etwas davon in dem Bette oder auf dem Fußboden gefunden hätte. Ebensowenig hält eine Magenkrankheit dem Wunder stand. Alle verschwinden auf das erste Glas. So fand Marie Souchet, die schwarzes Blut spie und immer mehr abzehrte, so daß sie zum Skelett abgemagert war, innerhalb zweier Tage ihre Körperfülle wieder. Marie Jarland, die aus Versehen ein Glas Lauge getrunken und sich den Magen verbrannt hatte, findet die Gesundheit wieder. Geschwulstbildungen verschwinden so vollständig in dem Weiher, daß auch nicht die leiseste Spur davon zurückbleibt. Was aber noch mehr in Staunen setzt, das sind die Geschwüre, die Krebsschäden, alle die entsetzlichen sichtbaren Wunden, die das heilige Wasser heilt. Ein Schauspieler, ein Jude, brauchte seine von einem Geschwür zerfressene Hand nur einzutauchen, und sie war geheilt. Ein junger reicher Ausländer, an dessen rechtem Handgelenk sich ein Lupus gebildet hatte, groß wie ein Hühnerei, sah ihn schwinden. Rose Duval, die infolge einer Eitergeschwulst am linken Ellenbogen ein Loch hatte, so groß, daß eine Nuß gut Platz darin fand, konnte der

Weitere Kostenlose Bücher