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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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und Bagnères etwas Leben. Zweimal täglich passierten Postwagen die Stadt. Sie kamen auf einem abscheulichen Wege von Pau und mußten den Lapaca, der oft über seine Ufer trat, auf einer Furt durchfahren. Dann ging es den steilen Abhang der Rue Basse hinauf und an der Terrasse entlang, auf der die von hohen Ulmen beschattete Kirche lag. Tiefer Friede herrschte in dieser alten Kirche. Sie war in spanischem Stile erbaut und angefüllt mit alten Skulpturen, Säulen, Bildern und Statuen, bevölkert von goldumwobenen Visionen und von alten Wandbildern, die im Laufe der Zeit so verblichen waren, daß man sie nur wie im Schimmer mystischer Lampen sah. Von der Bevölkerung wurde sie viel besucht, Ungläubige gab es nicht; das Volk hatte seinen Glauben bewahrt. Jede Zunft scharte sich um die Fahne ihres Heiligen; Bruderschaften aller Art vereinigten die ganze Stadt an Feiertagen zu einer einzigen christlichen Familie, Große Sittenreinheit herrschte, einer wunderbaren Blume gleich, die in einer auserlesenen Vase emporgesproßt war. Die jungen Männer fanden keine Gelegenheit, sich, zu vergessen, denn alle jungen Mädchen wuchsen in dem Dufte und der Schönheit der Unschuld unter den Augen der Heiligen Jungfrau auf.
    So begreift man, daß Bernadette, eine Tochter dieser frommen Gegend, emporblühte wie eine natürliche Rose; die an den wilden Rosenstöcken am Wegesrande sich entfaltet. Sie war die Blüte dieses Landes altväterlichen Glaubens und altväterlicher Ehrbarkeit. Sie konnte nur dort entstehen. Sie konnte sich nur dort so entwickeln in dem friedlichen Schlummer eines noch im Kindesalter stehenden Volkes unter der moralischen Zucht der Kirche. Und welche Liebe war sofort für sie aufgeflammt, welch blinder Glaube an ihre Sendung, welch unermeßlicher Trost und welche Hoffnungen seit den ersten Wundern! Lauter Jubel der Erleichterung begrüßte die Heilung des alten Bourriette, der sein Augenlicht wieder bekam, und des kleinen Justin Bouhohorts, der in dem eisigen Wasser des Brunnens wieder zum Leben erwachte. Die Heilige Jungfrau trat ins Mittel zugunsten der Verzweifelten und zwang die Rabenmutter Natur, gerecht und barmherzig zu sein. Es war die neue Herrschaft der göttlichen Allmacht, die die Gesetze der Welt umstürzte zum Heile für die Leidenden und für die Armen. Die Wunder vermehrten sich; sie wurden von Tag zu Tag immer außerordentlicher und leuchteten hell und klar als unanfechtbare Beweise der Wahrhaftigkeit der Bernadette.
    Pierre war bis dahin gekommen. Er erzählte von neuem die Wunder und wollte eben in seinem Berichte über den Triumph der Grotte fortfahren, als Schwester Hyacinthe plötzlich aus der Verzauberung aufwachte, in der sie die Erzählung gefesselt hielt und rasch aufstand.
    »Das ist aber wirklich nicht mehr vernünftig ... Es wird jetzt bald elf Uhr schlagen.«
    Es war richtig, man hatte schon Morceux passiert und kam nach Mont-de-Marsan. Schwester Hyacinthe klatschte in ihre Hände.
    »Ruhe, meine Kinder, Ruhe!«
    Diesmal wagte man nicht zu widersprechen, denn sie hatte recht, es war nicht mehr vernünftig. Aber wie sehr bedauerte man es, daß man mitten in der schönen Geschichte stehenbleiben mußte. Die zehn Frauen in der letzten Abteilung ließen sogar ein Murmeln des Mißfallens laut werden, während die Kranken mit gespanntem Gesicht noch immer zuzuhören schienen. Die Wunder, die ohne Unterbrechung aufeinander folgten, erfüllten sie mit unendlicher, überirdischer Freude.
    »Daß ich also jetzt keine einzige Silbe mehr höre!« fügte die Nonne in scherzendem Tone hinzu; »sonst müßte ich strafen.«
    Frau von Jonquière lächelte freundlich und sagte:
    »Seid folgsam, meine lieben Kinder! Schlaft, schlaft ruhig, damit ihr morgen die Kraft habt, aus vollem Herzen in der Grotte zu beten!«
    Dann trat Stillschweigen ein, niemand sprach mehr und man hörte nur das Rasseln der Räder, das Rütteln des Zuges, der durch die tiefschwarze Nacht dahin rollte.
    Pierre konnte nicht schlafen. Neben ihm schnarchte Herr von Guersaint und lächelte glückselig trotz der harten Bank. Lange hatte der junge Priester Mariens Augen weit geöffnet gesehen, erfüllt von dem Glänze der Wunder, die er soeben erzählt hatte. Ihre Blicke ruhten heiß auf ihm. Dann hatte sie ihre Augen geschlossen und er wußte nicht, ob sie schlief oder ob sie bei geschlossenen Augenlidern das Wunder noch einmal an ihrem Geist vorüberziehen ließ. Viele von den Kranken träumten laut. Bald lachten sie, bald stießen

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