Love at Second Sight - Liebe auf den zweiten Blick
ich.
“How do you mean?”
Es liegt mir auf der Zunge, Ellen-Jo von seinem Gedicht zu erzählen, das er von Rico geklaut hat. Aber in dem Augenblick setzt die Musik ein. Ellen-Jo braucht ja auch nicht alles zu wissen.
Im zweiten Teil des Konzerts spielen die Electric Boys neue Lieder und Songs von anderen Bands. Es folgen zwei Zugaben. Ende der Vorstellung. Ellen-Jo und ich bleiben brav sitzen und schauen den Bühnenarbeitern zu, die Boxen und Scheinwerfer abbauen. Mike trägt die Gitarren von der Bühne und schraubt am Schlagzeug herum, dessen Einzelteile er dann auch wegschleppt. Er schaut kein einziges Mal zu uns hin, so vertieft ist er in seine Arbeit. Oder hat er uns vergessen?
“Ihr könnt nach Hause gehen”, sagt ein junger Mann, dessen muskelbepackter Oberkörper in einem viel zu engen T-Shirt steckt.
“We’ll leave when we want”, sagt Ellen-Jo.
Die Englischkenntnisse des Security-Menschen scheinen arg begrenzt zu sein. Er kratzt sich an seinem fast kahlen Kopf.
“Ich bringe euch auch gerne persönlich zum Ausgang”, sagt er, und es klingt nicht besonders freundlich.
“We’re not babies, thanks. We don’t need an → escort ”, sagt Ellen-Jo.
“Langsam verliere ich die Geduld”, sagt der Muskelmann. Plötzlich legt er seine Pranke auf Ellen-Jos Schulter. Sie kreischt, stößt sirenenähnliche Töne hervor, schreckt die Bühnenarbeiter auf, die alle zu uns rüberglotzen. Der Muskelmann zuckt zurück.
“I’ll report you!” Ellen-Jo’s Stimme überschlägt sich. “You don’t seem to have the faintest idea who you are talking to. This is going to cost you your job.”
Hat der Sicherheitsmensch sie verstanden? Oder ist es nur die Art und Weise, wie Ellen-Jo ihre Sätze herausknallt, die den Mann beeindruckt? Jedenfalls lässt er uns in Ruhe, aber nur um Verstärkung zu holen. Gleich sind wir von drei Typen umstellt, die sich zum Verwechseln ähnlich sehen.
“Jetzt habe ich die Faxen dicke”, sagt der junge Mann, der uns zuerst belästigt hat.
→ “Get lost!”, brüllt Ellen-Jo.
Wo Mike nur bleibt, er könnte uns aus der Patsche helfen. Dann habe ich eine Idee. Ich zeige dem Muskelpaket unsere Eintrittskarten. Lesen kann er ja hoffentlich. Aber er will sie gar nicht sehen.
“Wir sind Gäste der Band”, sage ich.
“Das sagen sie alle”, kichert ein Typ. “Und jetzt raus mit euch!”
Der dritte Sicherheitsmann bequemt sich endlich, die Tickets in Augenschein zu nehmen. Er reicht sie an seinen Kollegen weiter.
“Aha”, brummt der. “VIP-Gäste.”
“Exactly! We are very important! Got it?” Ellen-Jo pfeift leise vor sich hin.
“Is there a problem?” Mike drängt sich zwischen die Männer von der Security. Hinter ihm steht – er! ER! ER!! ER!!! Noch bleicher als vorhin auf der Bühne, viel schöner als auf den Fotos, etwas kleiner, als ich vermutet habe: Rico!
Bis bald in London
“Hi, I’m Rico. How are you? Did you like the concert?”
Meine erste körperliche Berührung mit Rico: Er drückt meine Hand, nein, kein Drücken, eine zärtliche Berührung, minutenlang, Stunden, für immer ...
“Please give back my hand.”
“Oh, of course. … Sorry. … I didn’t mean to keep it. Your hand feels very soft. I mean, you have beautiful hands. They are not too big and not too small. I think they’re exactly the right size. And your → fingernails are very → well-kept .” Ich spüre, wie ich erröte, und bin erstaunt über den Unsinn, den mein Mund absondert.
“Thanks, that’s very nice of you. Could I have my hand back now?”
“Of course! I’ve got two hands of my own. A third hand would be one too many for me.” Warum lacht er nicht? Nicht einmal die Andeutung eines Lächelns. Ist er humorlos oder versteht er mein Englisch nicht? Und warum gebe ich nicht endlich seine Hand frei?
“There were two hands that would never let go, because it was love at first → handshake ...” Ellen-Jo hat natürlich gleich einen Spruch parat. Ich schaffe es, meine Hand zurückzuziehen.
“I’ll show you how it looks backstage”, schlägt Mike vor.
Ausgerechnet in dem Moment platzt Tante Monika dazwischen, die ich völlig vergessen habe. Sie uns leider nicht. In ihrem rot-weißen Blümchenkleid, das um die Hüften zu eng ausgefallen ist, wirkt sie zugleich jugendlich und schrecklich altmodisch.
“Ich stehe mir draußen die Beine in den Bauch, während ihr hier drin mit jungen Männern flirtet”, sagt sie. “Waren wir nicht verabredet?”
Eine nette
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