Love at Second Sight - Liebe auf den zweiten Blick
going to start soon.”
Der Mann nimmt den einsetzenden Beifall mit einer tiefen Verbeugung entgegen, als hätte er gerade gesungen. Offenbar wurde er doch verstanden. Dann rennt er von der Bühne, als ob er von tausend Fans verfolgt würde. Die Musiker traben gemütlich hinterher.
“They call it feeling faint”, ätzt Ellen-Jo. “I → reckon the guy has a problem. Alcohol or drugs or both together.”
“You’re crazy! What gives you that idea? Why → spread such → rumours ? That’s not your style. You heard what the man said: Rico’s feeling faint. That wouldn’t be strange in this heat.”
Ellen-Jo setzt zu einer Erwiderung an, aber ich verschließe ihren Mund mit meiner Hand. Überall im Saal wird getuschelt. Ich werde nun auch zur Schwarzmalerin: Wenn ich Pech habe, wird Rico nach seinem Auftritt gleich im Hotel verschwinden oder ... im Krankenhaus!
Das Licht geht aus, die Bühnenbeleuchtung an. Rico erscheint: schlicht und schwarz gekleidet wie die anderen Electric Boys und erschreckend blass. Das Publikum dreht fast durch, minutenlanger Beifall. Blumensträuße fliegen auf die Bühne, Stofftiere, Päckchen. Ich muss laut lachen, denn ich weiß ja von Mike, was mit den ganzen Geschenken geschieht.
Rico faltet die Hände und bedankt sich mit einem tiefen Diener. Er sieht süß aus, einfach zum Knutschen.
“Thank you”, haucht er ins Mikrofon. “Thank you all for coming. Thank you for your → patience . Thank you for your → loyalty . I love Germany. I love Frankfurt. I love you all ...”
“He loves us all”, lästert Ellen-Jo.
“Shut up!”
Sogar Rico scheint mich gehört zu haben. Er hält einen Moment inne und schaut mich entgeistert an. Oder bilde ich es mir nur ein? Ellen-Jo grummelt etwas Unverständliches. Ich greife nach ihrer Hand, sie zieht sie zurück. Auch gut. Warum soll immer ich klein beigeben?
John, Pete und Tony vervollständigen die Electric Boys, die nun ohne weitere Verzögerung loslegen: Do you know how much I love you ...
Ich hänge an Ricos Lippen. Er wirkt zart und zerbrechlich, wischt sich alle paar Sekunden den Schweiß von der Stirn. Wird er durchhalten? Oder hat er sich zu viel zugemutet? Ich wäre ihm bestimmt nicht böse, wenn er das Konzert abbrechen würde.
Er singt göttlich, seine Stimme hebt mich aus dem ungepolsterten Holzstuhl, mir wachsen Flügel. Bis zur Pause flattere ich durch den Raum, kreise über dem Publikum, lautlos wie eine Fledermaus, fliege zu Rico, der mir zuzwinkert, und stürze ab, als die grelle Saalbeleuchtung angeht.
“My bottom fell asleep”, sagt Ellen-Jo.
“That’s what happens when you can’t fly”, sage ich.
“Fly? Why fly?” Ellen-Jo guckt mich voller Mitleid an. Ich dränge zum Ausgang. Wir stillen unseren Durst mit Cola und lästern ein bisschen über das Publikum.
“Grandmas should be → banned from this kind of concert”, meint Ellen-Jo und zeigt auf eine Frau, die ungefähr dreißig Jahre alt ist.
“Exactly!”, pflichte ich ihr bei. “And she’s going around with a silly Rico-I-love-you sign. If she were my mum, I would …”
“Hi.” Wie von der Decke gefallen, steht Mike vor uns. Er hebt die Hand zum Gruß. “How are you?”
“I’m fine”, antwortet Ellen-Jo. Dabei himmelt sie Mike an, als ob sie in ihn verknallt wäre – und das, obwohl die Frage eigentlich an mich gerichtet war.
“That’s good”, sagt Mike.
“And how’s Rico?”, möchte ich wissen.
“Has he taken drugs?”, fragt Ellen-Jo in einer peinlichen Lautstärke.
“Drugs?” Mike schüttelt heftig den Kopf. “None of us takes drugs. Whatever gave you that idea?”
“I don’t know”, flüstert Ellen-Jo.
“What did I tell you?”, sage ich. “You shouldn’t → jump to conclusions and spread that kind of rubbish.”
“Rico hadn’t eaten anything since breakfast”, erklärt Mike. “The sound in the hall is → lousy . The sound check lasted much longer than usual. That’s why Rico felt sick. I have to work now. See you later.”
Bei seinen letzten Worten schaut er mir lange in die Augen, ein Blitz, ein Augenkuss, ein eigentümliches Kribbeln im Bauch, so tief hat sein Blick mich getroffen.
Ellen-Jo und ich nehmen wieder unsere Plätze ein. Meine Gedanken kreisen um Mike. Dabei möchte ich mich auf Rico freuen, aber immer wieder schiebt Mike sich dazwischen.
“Mike is really very nice”, sagt Ellen-Jo auf einmal.
“Some guys pretend to be nice, but they’re actually quite different”, antworte
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