Love is a Miracle
endlich ins Auto und fuhr rückwärts die Einfahrt hinunter. Ich drehte mich nicht um, wollte nicht wissen, ob Sandra, Carl und Walter noch da waren. Auf mich warteten.
Die Gespräche waren echt gewesen. Ich hatte sie mit angehört, und jetzt erinnerte ich mich an alles. Wir hatten in Staunton auf die Maschine gewartet. Ich sah den dünnen blauen Flughafenteppich vor mir, und die vielen Schuhabdrücke darauf. Sandra hatte sich abgewandt, als ich ihre Frage, warum wir hier warteten, mit einem Schulterzucken beantwortete, und aus dem Fenster desFlughafens geschaut. Dort war nichts, nur Asphalt, und jenseits der Landebahn ein Abzugsgraben und ein Zaun. Wir konnten unser Flugzeug nicht sehen.
Mit verschwitzten, zittrigen Händen fuhr ich in die Schule und hämmerte mir ein, dass es nur eine Erinnerung war, sonst nichts. Sie sind nicht wirklich. Nicht da.
Aber sie waren da, und von diesem Moment an wurde ich sie nicht mehr los. Ich sah sie jetzt ständig. Wenn ich morgens aus dem Fenster schaute, saßen sie auf dem Rasen und warteten auf mich. Und auf der Fahrt zur Schule knackte Carl mit den Fingerknöcheln. In den Gängen dort lief mir Walter über den Weg und zupfte nervös an seiner Mütze. Sandra stand in der Küche, wenn ich nach Hause kam, studierte das Sicherheitshandbuch der Fluggesellschaft und runzelte die Stirn.
Sie waren tot. Das wusste ich. Aber ich sah sie trotzdem, und ihr Anblick ließ mich nicht kalt. Ich fühlte etwas dabei.
Ich hatte Angst, und das gefiel mir nicht.
Ganz und gar nicht.
Sobald sie auftauchten, kniff ich die Augen zu, in der Hoffnung, dass ich sie auf diese Weise verschwinden lassen konnte. Dass sie nur in meinem Kopf existierten.
Aber wenn ich die Augen wieder aufmachte, waren sie immer noch da.
In der Schule wurde es noch schlimmer. Ich konntemich nicht konzentrieren, mein Verstand blockierte vor Angst und Erschöpfung. Und dann überredete mich auch noch Coach Henson, wieder ins Fußballtraining zu kommen. »Die Mannschaft braucht dich, Megan«, sagte er, als ich eines Morgens in die Schule kam. »Wir brauchen dein Talent. Deine Power. Du kommst doch heute ins Training, oder?«
»Ich …«, fing ich an, und Henry neben ihm schüttelte den Kopf, dass die Schuppen aus seinem Haar rieselten, und er winkte Carl zu, der direkt neben mir stand.
»Kann ganz schön holprig werden in den Bergen da oben«, sagte Henry. »He, was ist das hier, Mädchen? Gehört dieses ganze verdammte Gepäck alles dir?«
Ich nickte erschrocken.
»Fantastisch«, jubelte der Coach. »Ich wusste doch, dass ich auf dich zählen kann.«
»Lass dich nicht von Henry verunsichern«, sagte Carl. »Als ob das einen Unterschied macht, ob er ein, zwei Koffer mehr in seiner Maschine unterbringen muss. Aber sag mal, Mädchen, du hast nicht zufällig was zu essen für mich?«
Henry war nicht da. Carl war nicht da. Ich sah sie nicht wirklich. Ganz sicher nicht. Coach Henson strahlte mich an, und ich wusste, dass ich mich jetzt zusammenreißen und ihm die Megan vorspielen musste, die ich in seinen Augen war.
Ich gab mein Bestes und ging nach der Schule zum Trainingsplatz hinunter. Dort sah ich weder Carl noch Sandra, weder Walter noch Henry. Ein gutes Omen.Vielleicht würde alles gut gehen und ich konnte wirklich wieder Fußball spielen.
Als Erstes drehten wir ein paar Aufwärmrunden und der Coach feuerte uns an. Mein Körper fühlte sich fremd an, nicht leicht und geschmeidig, als könne er jeden Moment vom Boden abheben und davonfliegen, so wie früher. Nein, ich war langsam, schwerfällig. Klebte am Boden. Meine Lunge brannte und ich fand nicht in einen guten Rhythmus hinein.
Trotzdem lief ich weiter, und gegen Ende der letzten Runde spürte ich, wie sich etwas in mir löste. Allmählich ging ich in der Bewegung auf, sah die letzte Kurve des Platzes, den Grasfleck, an dem wir immer anhielten. Er war vergilbt und zertrampelt von den vielen Kickern, die hier schwitzend und startbereit herumstanden, und als ich die Stelle endlich erreichte, bekam ich kaum noch Luft, und mein ganzer Körper schmerzte. Meine Beinmuskeln zitterten und mein Gesicht war schweißüberströmt. Aber es war ein gutes Gefühl. Ich war eins mit mir und meinem Körper wie schon lange nicht mehr – nicht, seit ich die Augen aufgemacht und erfahren hatte, dass ich ein Wunder war.
Ich fühlte mich lebendig.
Dann sah ich die Fußbälle. Der Coach warf sie uns zu, brüllte und zeigte auf jede von uns. »Stacey, geh da rüber! Los, Kathleen,
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