Love is a Miracle
sich aus seinem Fenster beugte und mich beobachtete.
»Na, was wohl?«
Joe grinste. Er hatte was am Hals, das nach einem Knutschfleck aussah, eine dunkle Stelle auf seiner hellen Haut, und die Haare standen ihm vom Hinterkopf ab, als sei jemand mit den Fingern durchgefahren. »Hast du dich ausgesperrt?«
»Nein.«
Ich hangelte mich mit einem Fuß zu meinem Fenster hinunter, und da fragte er wieder: »Also was machst du dann da?«
Ich schaute zu seinem Fenster hinüber. Joe beugte sich so weit heraus, dass ich ihn auch jetzt noch sehen konnte. Mit schief gelegtem Kopf beobachtete er mich.
»Nicht das Gleiche wie du.«
Er grinste wieder, noch breiter diesmal, und fasste anden Knutschfleck an seinem Hals. »Ach, du meinst das hier? Der ist schon älter. Oder glaubst du, ich würde hier rumstehen und zuschauen, wie du dir den Hals brichst, wenn ich jetzt ein Mädchen im Zimmer hätte?«
Ich erstarrte, schon halb im Fenster drin, und meine Arme schmerzten von der Anstrengung. »Ich hab nicht die Absicht, mir den Hals zu brechen.«
»Kannst du auch gar nicht. Weil du nicht hoch genug bist. Du würdest höchstens die Blumenbeete von deiner Mom verschandeln und dir vielleicht einen Arm brechen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil Beth gesehen hat, wie dein Bruder vom Dach gesprungen ist, als er damals den Fallschirm gebastelt hatte«, sagte Joe. »Und als ihm dann im Krankenhaus der Arm eingegipst wurde, hat sie ausgerechnet, dass es praktisch unmöglich ist, von eurem Dach in den Tod zu springen. Das wollte sie auf die Karte schreiben, die sie für ihn gemacht hat, aber Mom hat es ihr ausgeredet. Sie meinte, es sei netter, ihm einfach gute Besserung zu wünschen, als den mathematischen Beweis zu erbringen, dass er sich beim besten Willen nicht hätte umbringen können.«
»Das hatte ich ganz vergessen«, sagte ich. »Davids Sturz vom Dach. Wahrscheinlich hat er die Karte von Beth noch …«
»Ich hab’s nicht vergessen«, unterbrach Joe mich, und ich hörte, wie sein Fenster zuging. Ich schlüpfte in mein Zimmer, schüttelte meine Arme aus und fragte mich,was Joe in meinem Gesicht gesehen hatte, dass er so mit mir redete.
Dann verdrängte ich den Gedanken und ging wieder ins Bett, in der Hoffnung, dass ich jetzt vielleicht einschlafen konnte.
Aber das war ein Irrtum.
Kapitel 11
Am nächsten Morgen kam ich zu spät in die Schule und wurde von Coach Henson empfangen, der mit verschränkten Armen auf dem Parkplatz hin und her tigerte, als sei heute Wettkampftag. Was vielleicht auch der Fall war – ich kannte den Spielplan der Mannschaft nicht mehr.
Sobald ich aus dem Auto ausgestiegen war, winkte er mich her, als hätte er die ganze Zeit nur auf mich gewartet.
»Ich hab mit ein paar von deinen Lehrern gesprochen«, fing er an. »Anscheinend hast du Probleme, im Unterricht mitzukommen. Und deine Beratungslehrerin hat mir gesagt, dass du mit deinem Zusatzprojekt hoffnungslos im Rückstand bist. Du hättest deine Gliederung und Arbeitshypothese schon letzte Woche abliefern müssen, oder hast du das vergessen?«
Ich zuckte die Schultern.
»Normalerweise würde ich ja nichts sagen, aber …« Der Coach brach ab, seufzte und räusperte sich, wie immer, wenn er etwas Wichtiges mitzuteilen hatte. »Ich weiß, dass die Schule manchmal langweilig ist, aber das lässt sich nun mal nicht ändern. Und alle hier bewundern deine Tapferkeit und dass du dich nicht unterkriegenlässt. Aber du musst dich jetzt mal ein bisschen anstrengen, Meggie, sonst … also sonst rutschst du irgendwann ab, und das willst du doch nicht, oder?«
Ich starrte ihn an. Coach Henson lächelte. Ich lächelte nicht zurück.
»Also«, sagte er. »Du beißt dich schon durch, das weiß ich. Und wegen deiner Verspätung heute brauchst du dir keine Sorgen zu machen, das bring ich in Ordnung. Du kannst gleich in die Aula zu den anderen gehen.«
»In die Aula?«
Er nickte. »Senior-Porträts, du weißt schon. Jetzt geh und denk mal drüber nach, was ich dir gesagt habe.«
Von da an wurde es erst richtig schlimm.
Die Aula war brechend voll. Alles drängte sich in den Gängen, an den Türen, und es war so heiß, so stickig in diesem Gedränge, dass ich mir die Nägel in die Handflächen bohrte, um nicht auszurasten. Aber es half nichts.
Ich musste hier raus, doch als ich mich umdrehte, waren hinter mir auch schon Leute, die sich an die Tür lehnten, durch die ich gerade gekommen war. Über ihre Köpfe hinweg konnte ich die winzigen Fenster
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