Love is a Miracle
Kopf. Autsch, das tut weh.
Ich muss mich bewegen. Muss was tun.
Sprechen. Oh, ja.
Sprechen.
»Hallo?«, sage ich und krieche vorwärts, mit schmerzenden, glitschigen Füßen. Ich brauche eine Weile, um den Sitz zu erreichen.
»Hallo?«, sage ich wieder, und plötzlich streckt sich blindlings eine Hand aus, mit blutroten Knöcheln, selbst im Regen sind sie blutrot. Entsetzt strample ich zurück und falle fast durch das Loch, meine Shorts verfangen sich in dem zackigen Metall, der Regen peitscht mir ins Gesicht, Rauch dringt mir in Mund und Nase.
Die Hand greift immer noch nach mir.
Es ist Carl. Carl, der neben mir gesessen hat. Sein Sitz hat sich nicht von der Stelle gerührt. Wenn das Flugzeug nicht auf dem Kopf stünde, wenn die Löcher darin nichtwären, sähe es aus, als hätte er sich gerade angeschnallt, fertig zur Landung.
Mühsam robbe ich auf ihn zu. Er liegt mit dem Kopf nach unten, so wie ich vorher, Blut tropft aus seinem Mund. Seine Augen sind weit offen und blicklos.
»Carl?«
Er blinzelt nicht. Scheint mich nicht zu sehen.
Ich will seine Hand nicht anfassen und berühre stattdessen sein Gesicht, meide den Mund. Seine Haut ist warm. Ich fühle den Puls an seinem Hals. Ich kann nicht sagen, ob er schnell oder langsam ist. Ich drücke fester zu, versuche zu zählen. Carl blinzelt, aber seine Augen bleiben leer und er atmet so seltsam laut und langsam.
»Hilf mir«, haucht er kaum hörbar, und ich packe das baumelnde Ende seines Gurts, taste mich nach oben und schnalle ihn ab. Ich würde alles tun, nur damit er nicht so schreckliche Laute von sich gibt. Und mit diesen leeren Augen ins Nichts starrt.
Carl fällt hart, aber ich packe ihn, nehme seine Hand in meine und arbeite mich zu dem Loch zurück, durch das ich beinahe hinausgefallen bin, krieche auf den Regen und den rauchgrauen Himmel zu. Carl klammert sich an mir fest und sein Atem ist lauter als der Regen, ein ersticktes, rasselndes Röcheln.
Dort, wo unsere Hände sich ineinanderkrallen, schwemmt der Regen pinkfarbene Bäche über meine Haut. Ich will nicht hinsehen, arbeite mich weiter vorwärts, aber da ist so viel Rosa, und Carl bewegt sich so langsam, und seine Hand wird immer schwerer in meiner.Als ich uns endlich aus dem Loch hinausmanövriere, fallen wir in den Schlamm, sodass die Steine mir die Haut aufschürfen, und der Regen ist überall.
Carls Hand fällt von meiner ab, und ich schaue zurück und sehe, dass sie sich nicht öffnet, dass sie genauso gekrümmt bleibt wie vorher, als er meine Hand gehalten hat. Seine Augen stehen immer noch weit offen, und der Regen strömt in sie hinein, über den leuchtend roten Fleck an seinem Mund.
»Wir haben es geschafft«, sage ich zu ihm, »wir sind gerettet«, aber er blinzelt nicht, bewegt sich nicht, und als ich zu ihm zurückgehe, ist nichts mehr an seinem Hals zu spüren und seine Haut ist nass und klamm, wird merklich kühler. Der Regen riecht nach Metall, nach Blut, und strömt weiter in seine offenen Augen, bildet Tränen darin. Ich beuge mich über sein Gesicht, um ihn vor dem Regen zu beschirmen, beobachte seine Augen, als ich ihm den Mund mit meinem T-Shirt abwische. Er blinzelt nicht. Seine Brust hebt und senkt sich nicht. Er merkt nicht, dass wir überlebt haben.
»Komm schon«, flehe ich, aber er antwortet nicht.
Dafür antwortet jemand anderes.
Da schreit jemand.
Ich spähe herum, kann aber nichts sehen, nur Steine und Metall und Bäume, die am Rand des rauchigen Himmels über allem aufragen. Wieder ein Schrei, lauter diesmal, und ich merke, dass ein paar von den Steinen in Wahrheit Flugzeugteile sind, dass das Wrack in den Boden gerammt ist und in Flammen steht, dass es schmilzt.
Ich laufe hinüber, kann es aber nicht erreichen. Es ist zu heiß, so heiß, dass meine Fußsohlen brennen, und jetzt höre ich nichts mehr außer dem Regen.
Dann sehe ich Sandra.
Sie ist unter dem brennenden Wrackteil eingeklemmt und versucht verzweifelt, darunter hervorzukriechen. Ihr Mund steht offen, ich sehe ihr Haar, nass, grellgelb, und ihre Hände, die sich in die Erde krallen. Ich bin wie gelähmt, kann keinen Finger rühren. Ich will etwas tun, kann aber nicht. Kann nur in ihr Gesicht starren, in ihre aufgerissenen Augen, in denen das nackte Grauen steht.
Sandras Ehering blitzt golden im Regen, reflektiert das Feuer, und als ich auf sie zukrieche, schreit sie und schreit, und ihr Körper windet sich wie eine Schlange, ihre Haut …
»Nein!«, sage ich, aber das Feuer hört
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