Love me, angel (Junge LIebe ) (German Edition)
ich auch niemandem den Kopf wegschießen."
„Die sind doch infiziert", sagt Andy lapidar und lotst mich weiter durch das Haus. Die Stimmung ist ziemlich bedrohlich und irgendwie passt das zu den widersprüchlichen Eindrücken der letzten Tage. Jetzt sitze ich schon vor der Kiste und spiele ein Horror-Ballerspiel! Aber aufhören kann ich auch nicht. Ich hab das Gefühl, dass Andy immer näher kommt ...
Eine halbe Stunde später habe ich eine unglaubliche Gänsehaut und bin von der gruseligen Stimmung des Spiels gefangen. Ich weiß gar nicht, worauf ich mich mehr konzentrieren soll, die besessenen Figuren, die da keuchend auf mich zukommen, oder Andy, der sich neben mich hingefläzt hat und den Körperkontakt nicht scheut.
„Gleich musst du aufpassen", sagt er. „Hinter der Tür wartet ein ziemlich starker Gegner. Speicher lieber vorher ab."
Noch stärker? Ich finde die Horden, die ich hier wegballern muss, schon stark genug. Angespannt steuere ich die Figur nach dem Speichern auf die Tür zu.
„Schiss?", fragt Andy und legt den Arm um mich. „Los, mach schon!"
Ich stoße die Tür auf und gehe raus. Kaum bin ich ein paar Schritte in einem Hinterhof gegangen, schreit auch schon jemand und ich höre ein Dröhnen. Dann läuft ein Mann mit entstelltem Gesicht auf mich zu und schwingt eine Motorsäge. Und schon liege ich ohne Kopf am Boden. Der Bildschirm färbt sich rot und teilt mir feierlich mit: ›du bist tot‹
„Macht nix", sagt Andy, „die Stelle hab ich auch nicht beim ersten Mal gepackt."
Obwohl ich nicht leugnen kann, dass das Spiel ziemlich spannend ist, zweifle ich gerade ein wenig an Andys Geisteszustand. Selbstverständlich kommt da Svens warnende Stimme wie gerufen zum Einsatz. Dabei halte ich die Medienberichte über Gewalt in Videospielen ja eigentlich für übertrieben. Dass Andy aber irgendwie ein wenig komisch ist mit seiner abweisenden Art, kann ich wohl kaum von der Hand weisen.
„Weiterspielen oder Schnauze voll?", fragt Andy amüsiert.
„Schnauze voll", sage ich schnell, „ich will ja auch nicht, dass dir langweilig wird."
„Och, ich find das chillig. Heute Nacht bin ich ja wieder unterwegs, da kann ich ein wenig Ruhe gut gebrauchen."
Unterwegs. Damit ist doch nicht Tanzen gemeint, oder? „Du weißt aber schon, dass wir morgenfrüh 'nen Englischtest schreiben?"
„Echt?"
„Nein, Spaß - natürlich echt!"
„Na dann ..."
„Ist dir das eigentlich vollkommen egal?"
„Solange ich am Ende irgendwie mein Abitur kriege, ja."
„Und auf die Note achtet später keiner?"
„Machste jetzt einen auf Vater?" Andy nimmt seinen Arm zurück und richtet sich auf. „Ich pack das schon!"
„Na gut", sage ich kleinlaut. Jetzt spiele ich mich schon auf wie Sven - und das ausgerechnet bei Andy!
„Hast du 'nen Freund?", fragt er plötzlich.
„Nein, wieso?"
„Deshalb." Andy beugt sich unvermittelt zu mir rüber und drückt mir einen Kuss auf die Lippen. Ich bin total perplex. Dann spüre ich Andys Hände, die an meinen Flanken vorbeistreichen und mein Shirt nach oben schieben. Und dann ist seine Zunge in meinem Mund und ... Ich drücke ihn weg.
„Hey!"
„Was?" Er guckt mich erstaunt an.
„Was soll das?"
„Ich wollte mal sehen, ob du wirklich so verklemmt bist. Immerhin hast du es dir ein paar Sekunden gefallen lassen." Er grinst breit.
So, das reicht! Wütend springe ich auf, schnappe meine Sachen und verlasse die Wohnung. Noch während ich die Treppe runterlaufe, frage ich mich, warum ich überhaupt flüchte. Ich habe doch keinen Freund - und Andy offenbar auch nicht. Was wäre so schlimm daran, jetzt was auszuprobieren? Zumal er mich ja eh schon fast nackt gesehen hat. Aber der Schreck sitzt mir immer noch in den Gliedern. Egal, was ich mir sonst so in meinen Fantasien ausmale, hier und jetzt habe ich da keinen Bock mehr drauf.
Auf der Straße klingelt mein Handy. Bevor ich drangehe, sehe ich, dass Bastian schon zweimal angerufen hat. Verdammt!
„Ja?", sage ich und hoffe, dass mir eine gute Ausrede einfällt.
„Bist du sauer auf mich?", fragt Bastian.
„Nee, warum?"
„Na, weil ich dich heute versetzt habe ..."
Puh, das ist mir gerade alles ein wenig viel. Ich versteh jedenfalls gar nichts mehr.
„Biste noch dran?"
„Klar", sage ich.
„Was sollte ich denn machen? Nachdem ich ihr den Brief gegeben habe, hat sie gefragt, ob ich ihr bei Mathe helfen kann ... Das ist die Gelegenheit! Und außerdem ..."
„Ich bin nicht sauer", unterbreche ich ihn. Maike,
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