love sheriffs
reden!«, fahre ich meine Mutter an. »Rosina schläft. Wenn du so flüsterst, hört sie dich nie.«
»Dann weck sie doch«, sagt meine Mutter. »Mich hast du ja auch geweckt.« Aber dann fängt sie doch an, mit erhöhter Lautstärke nach ihrem Liebling zu rufen.
»Lauter!«, rufe ich dazwischen und erklimme noch zwei weitere Sprossen.
»Also, Pia ...«
»Ein Mal noch. Sie hat gerade ein Auge aufgemacht. Ruf sie noch mal ganz laut.«
»Rooosiiina!«, brüllt meine Mutter. »Hööörst du mich? Rooosiiinaa, Schaaatziiimaus!«
Dann höre ich im Hintergrund meinen Vater etwas brummen.
»Papa soll auch mitmachen«, schlage ich vor.
»Also, jetzt reicht es!«, schimpft meine Mutter. »Dass du mich immer auf den Arm nehmen musst! Schäm dich!«
Und dann legt sie auf. Ich bleibe noch ein Weilchen auf der Leiter stehen und versuche, Rosina herunterzulocken.
Aber sie reagiert überhaupt nicht mehr. Kein noch so leises Miauen verrät mir, ob Rosina noch ... ob es ihr gut geht.
Mit vor Kälte und Sorge zittrigen Beinen klettere ich die Leiter hinunter und setze mich in meinen Stuhl. Ich stelle mir vor, wie die Kleine ganz alleine da oben im Baum hockt, frierend und verängstigt. Bestimmt hat sie Hunger und Durst. Und aufs Klo wird sie auch müssen.
Ich kämpfe mit meinen Tränen, schlucke die Schüssel Klöße, die auf einmal in meinem Hals steckt, hinunter und fange an zu singen. »Que sera sera, whatever will be, will be, the future‘s not ours to see, que sera sera ...«
Wie es kommt, so kommt es.
Das hat mir meine Mutter immer vorgesungen, als ich noch klein war und vor allem Angst hatte: vor dem ersten Mal im Kindergarten, dem ersten Schultag, dem ersten Date, dem ersten Geschlechtsverkehr. Na ja, zumindest beim Kindergarten war meine Mutter dabei, live und in Farbe. Bei den späteren Gelegenheiten war sie nur noch als Playback in meinem Kopf zu hören.
Ich hoffe, das Lied tröstet Rosina ein bisschen, so wie es mich immer ein bisschen getröstet hat. Ich wünschte mir so sehr, ich könnte den kleinen Racker jetzt auf meinen Schoß nehmen und streicheln. So sehr.
Und dann weine ich und dann singe ich wieder und dann erzähle ich Rosina eine Geschichte und dann fange ich wieder an zu heulen. Am liebsten würde ich ins Haus, um mir einen Kaffee und eine Wärmflasche zu machen. Aber ich denke mir, Rosina beobachtet mich vielleicht, auch wenn ich sie nicht sehen kann. Ich will nicht, dass sie glaubt, ich lasse sie wieder alleine. Also bleibe ich sitzen und friere, rede, singe und bete und warte auf das Ende der Nacht, das einfach nicht kommen will.
Plötzlich höre ich, wie ein Auto vor dem Haus hält, und kurz darauf das Zuschlagen einer Wagentür.
Max!, denke ich sofort. Und: Endlich!
Aber es ist nicht Max, der aus dem Dunkeln in den schwachen Lichtschein tritt, den Terrasse und Wintergarten bis zu mir werfen. Ich schalte die Taschenlampe ein, um besser sehen zu können. Der helle Lichtstrahl fällt auf das bleiche Gesicht eines Vampirs.
»Hallo, Pia.«
»Oh«, mache ich überrascht. »Das hätte ich jetzt nicht erwartet. Diese Adresse - woher ...«
»Das war nicht leicht. Es gibt über fünfzig Herzogs in Düsseldorf. Ich musste eine ganze Weile suchen. Als ich dann die Festbeleuchtung hier gesehen habe, während alles ringsherum in tiefer Dunkelheit liegt, wusste ich: Hier muss es sein.«
Ganz langsam erhebe ich mich. Meine Glieder sind wie erstarrt.
»Unheimlich hier um diese Zeit, nicht wahr?«, sagt der Vampir. »Als lägen alle Menschen tot in ihren dunklen Häusern. Nur wir zwei sind übrig, du und ich.«
»Nur wir zwei«, sage ich mit zittriger Stimme. »Weshalb bist du gekommen?«
Er sieht mich eindringlich an. Das Lächeln verschwindet aus seinem bleichen Gesicht, als hätte sich eine Wolke davorgeschoben. Er macht ein paar schnelle Schritte auf mich zu und greift meine Hände. »Mein Gott, du bist ja eiskalt! «, ruft er entsetzt. »Und wie du zitterst! Komm mit ins Haus! Du holst dir ja den Tod hier draußen.«
Er zieht mich Richtung Terrasse, aber ich stemme mich dagegen. »Nein, ich kann nicht.« Ich zeige auf das obere Drittel der Tanne, dorthin, wo ich Rosina vermute. »Ich bleibe hier, wo Rosina mich sehen kann. Bis ich sie wiederhabe.«
Offenbar merkt er mir an, dass ich fest entschlossen bin. Kopfschüttelnd lässt er mich los. »Na gut, dann hole ich dir eben etwas Wärmendes. Einen Tee.«
»Kaffee«, sage ich. Dann drücke ich ihm die kalte Wärmflasche in die Hand. »Und
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