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love sheriffs

love sheriffs

Titel: love sheriffs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Paura
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nach.
    »Tja, gute Frage.« Kowalski macht eine Kunstpause und genießt es sichtlich, im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. »Wenn der Baum fällt und in Schräglage kommt, wird die Katze vor Schreck abspringen oder sich noch fester an den Stamm krallen«, doziert er. »Springt sie ab, landet sie auf dem Rasen oder in den Büschen, also auf jeden Fall weich. Katzen landen immer auf ihren Pfoten und sind zähe Biester. Das wird sie wegstecken. Wahrscheinlich wird sie, sobald sie wieder auf dem Boden ist, sich direkt irgendwo verkriechen, sodass der Baum nicht auf sie fallen kann. Krallt sie sich an den Stamm, ist es sogar noch besser. Die Aste federn den Aufprall so stark ab, dass wir die Katze anschließend unbeschadet aufsammeln können.«
    Möglicherweise will ich nur, dass es für mich einleuchtend klingt, aber es klingt für mich einleuchtend.
    »Darüber haben Sie sich offenbar schon richtig Gedanken gemacht«, sage ich beeindruckt. »Und Sie können das: einen Baum fällen?«
    »Klar!« Stolz wirft er sich in die Brust. »Ich habe mir schon öfter Weihnachtsbäume geschlagen.«
    »Das ist aber ein Riesenweihnachtsbaum«, gibt Daniel zu bedenken.
    »Auf der Spitze sitzt wahrscheinlich sogar schon ein Engel«, sage ich.
    »Egal. Für meine Motorsäge dürfte das kein Problem sein«, meint Kowalski leichthin. »Ich habe mir auch schon die beste Fallrichtung überlegt. Eigentlich gibt es wegen des Kirschbaums und der Stromleitungen nur eine Möglichkeit. Ich muss lediglich noch prüfen, ob es von der Länge her reicht. Soll ich?«
    Wenn ich das wüsste! Ich habe unheimliche Angst, dass Rosina etwas dabei passieren könnte. Und der Baum tut mir auch leid. Er kann ja nichts dafür, hat nur friedlich herumgestanden und dem Kowalski das Licht weggenommen. Aber unterbelichtet war der Mann bestimmt vorher schon. Ich schaue Daniel fragend an. »Was meinst du?«
    »Wenn ich eine andere Möglichkeit wüsste, würde ich sagen: lieber nicht. Aber so ... Vielleicht fällt uns später noch eine Alternative ein.«
    »Wir haben keine Zeit mehr«, widerspreche ich. »Rosina ist schon zu schwach. Gestern Nacht konnte sie wenigstens noch leise miauen. Lange hält sie bestimmt nicht mehr durch. Okay, Herr Kowalski, tun Sie es!«
    Mein Nachbar ist sofort Feuer und Flamme. Innerhalb von fünf Minuten ist er nach Hause gestürmt, hat sich Schutzkleidung angezogen und kommt nun, triumphierend seine Motorsäge in die Höhe haltend, zurück, um aus der schönen Tanne Kleinholz zu machen. Zuerst schreitet er die Länge zwischen Baum und Haus mit großen Schritten ab.
    »Okay, das langt«, meint er zufrieden. »Die Tanne fällt an dem Kirschbaum vorbei, und wenn ich das richtig abschätze, kommt der Wipfel sogar in diesen Büschen auf.« Er zeigt auf einen großen Rhododendron vor dem Wintergarten. »Besser könnte es für Ihre Katze gar nicht sein.«
    »Und woher wissen Sie, wie hoch die Tanne ist?«, fragt Daniel.
    »Ich bin Kranführer«, sagt Kowalski. »Für das Abschätzen von Entfernungen habe ich einen geschulten Blick.«
    Sein geschulter Blick ist mir auch schon aufgefallen, als er meinen Busen abgeschätzt hat.
    »Ich schneide jetzt den Fallkerb«, sagt Kowalski und schiebt sich die Schutzbrille vor die Augen. »Sie beide gehen besser ins Haus. Ist sicherer.«
    Also beobachten Daniel und ich durch die offene Terrassentür, wie Kowalski die Säge anwirft und sich am Baum zu schaffen macht. Das Geräusch, als die Kette sich ins Holz frisst, fährt mir durch Mark und Bein. Schuldgefühle bohren sich in mein Fleisch. Wenn ich vor den Kindern, die Halloween an die Tür kamen, nicht unbedingt den Clown hätte spielen müssen, bräuchte jetzt wegen mir kein Baum ins Gras zu beißen. An Rosina wage ich in diesem Moment überhaupt nicht zu denken. Ich fokussiere mein schlechtes Gewissen auf die Tanne. Wenn ich schon einen Baum kille, hätte es dann nicht wenigstens der Kirschbaum sein können?
    »Was war das?«, fragt Daniel, als Kowalski die Säge abstellt und neu ansetzt. »Hast du das auch gehört?«
    »Nein, was denn?«
    »Als ob jemand schreien würde.«
    »Oh, Gott! Hat es sich irgendwie baumartig angehört?«
    In dem Moment hebt Kowalski einen Arm und winkt uns kurz zu. Ich winke zurück und dann fängt die Säge auch schon wieder an zu kreischen. Ich hoffe nur, Bäume können wirklich keine Schmerzen empfinden.
    »Ich glaube, ich muss mich gleich übergeben«, sage ich zu Daniel. Aber Daniel steht überhaupt nicht mehr neben mir.

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