love sheriffs
wenn ein Tag so beschissen anfängt, kann er eigentlich ohnehin nur besser werden.
Mein Handy klingelt. Egal, ob es Tanja, Daniel oder Max ist, ich werde den Anrufer bitten, herzukommen, um mir vorzulügen, dass alles halb so schlimm und überhaupt nicht meine Schuld sei und dass meine Eltern mich nicht verstoßen werden.
Es ist mein Vater. »Hallo, Schlumpelchen. Oh, entschuldige! Ich wollte sagen: Hallo, Pia.«
»Schlumpelchen ist schon in Ordnung«, sage ich. »Das habe ich neulich nicht so gemeint. Es stört mich überhaupt nicht, wenn du mich so nennst.«
Und bald wirst du sowieso nicht mehr mit mir reden.
»Das freut mich. Ich hatte mich schon so daran gewöhnt. Aber auch wenn ich dich so nenne, weiß ich natürlich, dass du eine erwachsene Frau bist, die ihr Leben meistert.«
Ich denke an meine zerbrochene Beziehung zu Stefan, an meine schwer angeknackste Beziehung zu Max, an mein kompliziertes Verhältnis zu Daniel und daran, wie meisterhaft ich das Haus meiner Eltern hüte. Nein, ich bin weder Lebens- noch Hausmeisterin. Ich bin auch kein Love Sheriff und keine Fliederkönigin. Ich bin Pia, die Zerstörung. Mehr nicht.
»Wie geht es euch?«, frage ich meinen Vater.
»Danke, ausgezeichnet. Ein bisschen Heimweh hatte uns die letzten Tage gepackt. Aber das ist vorbei. Und wie geht es dir? Wo bist du gerade?«
»Mir geht es auch super. Ich sitze bei euch im Wohnzimmer und trinke Kaffee.«
»Ist zu Hause alles in Ordnung? Geht es Rosina gut?«
Ich schaue aus dem Wohnzimmerfenster. Kowalski und seine Männer stapfen wie die Störche durch den versumpften Garten. Ein weiterer Mann mit einem Klemmbrett unter dem Arm hat sich dazugesellt. Vielleicht kommt er von den Stadtwerken. Der Bagger liegt wie ein toter Saurier im Wasserloch. Unweit davon rottet die gefällte Tanne vor sich hin, während das Wasser im Keller vermutlich langsam die Treppe hochkommt. Aber alle laufen sie bloß rum und reden und warten. Keiner macht etwas. Vermutlich denken sie: Ficken ist geiler als arbeiten.
»Alles bestens«, sage ich betont fröhlich. »Das Haus steht noch und Rosina geht es gut.«
»Nichts anderes habe ich erwartet. Ist deine Tasse noch voll?«
» Meine bitte was ?«
»Deine Kaffeetasse. Wie lange wird es ungefähr dauern, bis ... Schenkst du dir eventuell noch eine ein?«
»Ich ...«
Da höre ich die Stimme meiner Mutter im Hintergrund rufen: »Mein Gott, Joachim, jetzt sag ihr schon, dass sie auf uns warten soll! Pia, hörst du mich? Du kannst für uns auch gleich einen Kaffee machen. Joachim wollte dich überraschen. Aber wenn du gerade bei uns bist, trifft sich das hervorragend. Bleib da! In spätestens einer halben Stunde sind wir bei dir. Freust du dich?«
Ich öffne meinen Mund, um etwas zu sagen - oder vielleicht auch, um laut zu schreien, da bin ich noch unentschlossen - aber es kommt kein Ton heraus.
»Pia? Ich höre dich nicht mehr«, sagt meine Mutter.
Ich stöhne leise.
»Vielleicht sind wir in einem Funkloch«, meint mein Vater.
»Unsinn! Eben war die Verbindung doch noch einwandfrei.«
»Ja«, stoße ich schließlich hervor.
»Was ja?«
»Ich freue mich«, krächze ich.
»Du klingst aber irgendwie ...«
»Ich freue mich sehr«, sage ich heiser. »Juhu.«
Meine Mutter sagt: »Du klingst merkwürdig. Bist du erkältet? Ich sage dir immer, du sollst dich wärmer anziehen. Deutschland ist nicht Italien. Da kann man nicht das ganze Jahr ohne Strümpfe und ...«
»Ich muss Kaffee kochen«, sage ich und lege auf.
Eine Sekunde lang starre ich das Telefon an wie eine Klapperschlange, die mich gerade gebissen hat. Dann erreicht das Gift meine ersten Hirnzellen und bringt sie zur Explosion.
O Gott! Meine! Eltern! kommen! gleich! Hilfe!
Ich springe auf und rase nach draußen. In Morgenmantel und Monsterfußpantoffeln stehe ich in der Pfütze, die einmal eine Terrasse war, und schreie: »Jetzt beeilt euch mal, ihr Arschlöcher!«
Die Männer starren mich erschrocken an. Niemand sagt etwas, nur das Knattern der Ficken-ist-geil-Plane im Wind ist zu hören.
»Was glotzt ihr denn so?«, heule ich. »Wir haben keine Zeit zu verlieren!«
Ich greife mir den Eimer, der in einer Ecke der Terrasse steht, und beginne, das Wasser von den Fliesen zu schöpfen. Wie eine Verrückte kratze ich mit dem Rand des Plastikeimers über den Steinboden, und sobald ich auf diese Weise genug Wasser gesammelt habe, um wenigstens zwei Trinkgläser zu füllen, leere ich es mit Schwung in den Garten.
»Das bringt doch
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