love sheriffs
Amerika. Mein Kumpel hat dort günstige Bezugsquellen. Es dauert allerdings noch mindestens eine Woche, bis er es bekommt. Aber dann, Pia, wirst du Augen machen. Du hast doch nichts gegen amerikanische Autos, oder?«
Ich schaue ihn misstrauisch an. »Das ist bestimmt so eine üble Machokiste, groß wie eine Dampflok und mit Bullenhörnern als Stoßstange. Mit denen spieße ich dich dann auf, wenn das stimmt.«
»Du wirst begeistert sein«, verspricht er mir.
»Ich kann es kaum erwarten.«
Als Max sich heute beim Frühstück weigerte, mir seinen BMW zu leihen, und dabei die Frechheit besaß, mir vorzuwerfen, dass ich in letzter Zeit kein Glück mit Autos habe, kriegten wir uns mächtig in die Haare. Ein Wort gab das andere, dann haben wir uns gegenseitig Vorwürfe nachgeworfen und plötzlich, aus verheitertem Himmel, stand dieses Ultimatum im Raum. Wenn er bis Ende der Woche seinen Bruder nicht dazu bringt, sich nach einer neuen Wohnung umzusehen, dann ziehe ich ins Haus meiner Eltern - und zwar so lange, bis mein eigenes Zuhause wieder crocksfrei ist.
Danach schwiegen wir uns so vehement an, dass man die Disteln wachsen hörte, die sich zwischen uns ausbreiteten. Ach was, Disteln - ganze Dornenhecken wie bei Dornröschen. Ich hoffe nur, Max lässt sich mit seinem Versöhnungskuss keine hundert Jahre Zeit. Ich kann zwar dammdi dammdi warten, als wäre ich die Freundin von Godot.
Aber wenn ein Prinz mit schnelleren Lippen durch die Hecke kommt, bin ich weg.
Eigentlich wollte ich mich durch exzessive Arbeit von meinem Ärger zu Hause ablenken. Stattdessen sitze ich hier und bin zur Untätigkeit verdammt, ein Love Sheriff, den niemand anfordert, eine Journalistin, die zurzeit weder ins Internet noch ins Archiv kommt, ja noch nicht einmal ihre E-Mails abrufen kann, eine Autofahrerin ohne Auto und bald wohl auch eine Hausbesitzerin ohne Bleibe, da ich mich per Ultimatum blöderweise aus meinem eigenen Haus herauskatapultieren musste.
Selbst meine beste Freundin habe ich durch meine Dummheit verloren. Bei wem soll ich mich jetzt bloß ausheulen? Gibt es da eigentlich keine Telefondienste? Irgendwelche gutmütigen Gemüter, denen man alles Leid der Welt für zwei Euro die Minute aufladen kann? Ich hoffe, das kommt bald, denn ich könnte mir vorstellen, dass ich in spätestens einem Jahr sämtliche Bekannte so vollgeplärrt habe, dass sie die Straßenseite wechseln, wenn sie mich sehen, vielleicht sogar die Straße oder den Ort, ach was, auswandern werden sie alle, damit ich ihnen nicht länger auf den Wecker falle. Ich werde bei sämtlichen Friseuren der Stadt Hausverbot haben und die Telefonseelsorge wird sich wegen mir eine Geheimnummer zulegen.
Als mein Telefon klingelt, stürze ich mich auf den Hörer und rufe: »Das wird auch Zeit! Haben Sie das Problem endlich gefunden?«
»Das Problem gefunden?«, fragt eine mir unbekannte Frauenstimme hörbar irritiert zurück. »Ich habe das Problem nicht nur gefunden. Ich habe es geheiratet.«
»Geheiratet?«
»Ja, ich bin Ilona Kronig. Sie haben mir geschrieben, dass mein Fall eventuell etwas für Ihren neuen Service wäre. Deshalb rufe ich an. Ich hätte gerne Ihren Love Sheriff gesprochen.«
O Gott, denke ich in stummer Verzweiflung. Das bin ja ich! Jetzt geht es also wirklich los. Ich hole tief Luft und sage mit unsicherer Stimme: »Am Apparat.«
Am Telefon macht Ilona Kronig auf mich den Eindruck einer intelligenten, selbstbewussten Frau. Eigentlich müsste sie in der Lage sein, sich in einer Partnerschaft zu behaupten. Allerdings hat sie gegenüber ihrem Mann ein gewaltiges Handicap: Sie liebt ihn und will ihn nicht verlieren.
Mag sein, dass für ihn das Gleiche gilt. Aber ein Mann kommt meist erst dann auf die Idee, dass seine Frau ihn verlassen könnte, wenn sie mit gepackten Koffern an der Tür steht und darauf wartet, dass ihr neuer Freund sie abholt. Danach sucht der frisch Verlassene fünf Minuten die Schuld bei sich selbst, findet aber nichts, außer der Erkenntnis, dass er ein großartiger Typ ist und eine Kanone im Bett und dass die Alte spinnt und soll sie doch abhauen.
Eine Frau quält sich da mit selbstkritischeren Gedanken. Bin ich nicht mehr attraktiv genug, bin ich zu alt, zu dick, zu prüde, zu langweilig, zu dumm, zu klug, zu selbstbewusst? Ein Mann stellt sich diese Fragen ebenfalls: Ist meine Frau zu alt, zu dick, zu prüde, zu langweilig ... ? Klar, dass beim Aufeinandertreffen dieser inneren Selbsteinschätzungen die Frau in einer
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