Love Story: Roman (German Edition)
vollendete Tatsachen gestellt, oder nicht?»
«Ja, aber wie ist deine Meinung dazu, Vater?»
«Ich finde Jennifer bewundernswert. Wenn ein Mädchen aus ihren Kreisen es bis ins Radcliffe College schafft …»
Mit der alten Leier über den «großen Schmelztiegel Amerika» umging er den strittigen Punkt.
«Komm zur Sache, Vater.»
«Die Sache hat gar nichts mit der jungen Dame zu tun», sagte er, «sondern mit dir.»
«Ah ja?» fragte ich.
«Mit deinem Rebellieren», fügte er hinzu. «Du rebellierst, mein Junge.»
«Vater, ich kann nicht einsehen, wieso man rebelliert, wenn man eine schöne und begabte Radcliffe-Studentin heiratet. Ich meine, sie ist schließlich nicht irgendeine verrückte Hippie-Type …»
«Sie ist vieles nicht.»
Aha, jetzt kamen wir zu des Pudels Kern!
«Was stört dich denn am meisten, Vater, daß sie katholisch ist oder daß sie kein Geld hat?»
Er erwiderte in einem besonderen Flüsterton und beugte sich leicht zu mir hinüber.
«Was schätzt du denn am meisten an ihr?»
Ich wollte aufstehen und weggehen. Ich sagte es ihm.
«Bleib da und red endlich wie ein Mann», sagte er. Im Gegensatz zu was? Zu einem Jungen? Einem Mädchen? Einer Maus? Na, ich blieb jedenfalls.
Der alte Schweinehund war überaus befriedigt darüber, daß ich sitzen blieb. Ich meine, man sah, daß er es für einen weiteren seiner vielen Siege hielt.
«Ich möchte dich nur bitten, daß du noch eine Weile damit wartest», sagte Oliver Barrett III.
«Wie lang, bitte, ist das bei dir – eine Weile?»
«Beende erst deine juristischen Studien. Wenn es die wahre Liebe ist, wird sie die Probezeit überstehen.»
«Das ist sie, aber warum, zum Teufel, soll ich sie einer beliebigen Probezeit unterwerfen?»
Ich glaubte mich klar auszudrücken. Ich leistete ihm Widerstand. Ihm und seiner Willkür. Seinem unwiderstehlichen Drang, mein Leben zu regieren und zu beherrschen.
«Oliver!» Er begann die nächste Runde. «Du bist noch nicht …»
«Was bin ich noch nicht?» Allmählich platzte mir der Kragen, zum Donnerwetter noch mal.
«Du bist noch nicht einundzwanzig Jahre alt. Nach dem Gesetz noch nicht mündig.»
«Spar dir die juristischen Mätzchen, verdammt noch mal.»
Vielleicht hörten einige von denen, die an den Nachbartischen saßen, diese Bemerkung. Wie um meine Lautstärke auszugleichen, zischelte mir Oliver III seine nächsten Worte in scharfem Flüsterton zu.
«Heirate sie gleich, und ich sag dir nicht einmal mehr, wie spät es ist!» Es war ja scheißegal, ob jemand das mit anhörte oder nicht.
«Vater, du weißt ja gar nicht, wie spät es ist!»
Ich verschwand aus seinem Leben und fing mein eigenes an.
9
Blieb noch die Angelegenheit Cranston, Rhode Island, zu erledigen. Diese Stadt liegt weiter südlich von Boston, als Ipswich nördlich von ihr liegt. Nach der Panne mit der Vorstellung Jennifers bei ihren künftigen Schwiegereltern («Muß ich sie jetzt eigentlich als un-künftige Schwiegereltern bezeichnen?» fragte sie) sah ich mit nicht allzugroßer Zuversicht der Begegnung mit ihrem Vater entgegen. Die Sache war doch so: Ich würde dort gegen das Wir-wollen-uns-alle-recht-Liebhaben des italo-mediterranen Syndroms antreten müssen; dies wurde dadurch erschwert, daß Jenny ein Einzelkind war, weiter dadurch erschwert, daß sie die Mutter verloren hatte, was natürlich extrem enge Vaterbindungen bedeutete. Ich würde gegen sämtliche Gefühlsströme antreten müssen, die im Psychologie-Lehrbuch standen.
Und außerdem besaß ich keinen Pfennig Geld.
Ich meine, stellen Sie sich doch mal für einen Augenblick einen Olivero Barretto vor, einen netten italienischen Jungen aus dem Nachbarhaus in Cranston, Rhode Island. Er sucht Mr.Cavilleri auf, einen gutverdienenden Tortenbäcker in dieser Stadt, und sagt zu ihm: «Ich würde gerne Ihre einzige Tochter Jennifer heiraten.» Was würde wohl die erste Frage des Alten sein? (An Barrettos Liebe würde er nicht zweifeln, denn Jenny kennen heißt Jenny lieben; das ist eine der Grundwahrheiten.) Nein, Mr.Cavilleri würde so etwas sagen wie: «Barretto, wie gedenken Sie sie zu ernähren?»
Und nun stellen Sie sich mal die Reaktion des braven Mr.Cavilleri vor, wenn Barretto ihm mitteilt, daß genau das Gegenteil obwalten wird, mindestens für die nächsten drei Jahre, daß nämlich seine Tochter seinen Schwiegersohn erhalten muß! Würde daraufhin nicht der brave Mr.Cavilleri dem Barretto zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat? Oder sogar,
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