Love Story: Roman (German Edition)
gekommen ist.
«Wir können nicht, Sir», erwiderte ich.
«Wir müssen, Oliver», sagte Jenny.
«Wieso?» fragte ich.
«Weil ich Hunger habe», sagte sie.
Wir saßen am Tisch, den Wünschen von Oliver III gehorchend. Er neigte den Kopf. Mutter und Jenny taten das gleiche. Ich hielt den meinen ein bißchen schräg.
«Herr, segne diese Speise, uns zu Stärkung, Dir zum Ruhme, und hilf uns stets derer gedenken, die da Not leiden. Das erbitten wir im Namen Deines Sohnes Jesus Christus, Amen.»
Jesus Christus noch mal! Ich genierte mich. Hätte er nicht dies eine Mal die Frömmigkeit weglassen können? Was sollte Jen denken. Du lieber Gott, es war der reinste Rückfall ins Mittelalter.
«Amen», sagte Mutter (und Jenny auch, ganz leise).
«Wer spielt aus?» sagte ich, um etwas Witziges zu sagen.
Es kam bei keinem an. Am wenigsten bei Jenny. Sie schaute von mir weg. Oliver III warf mir einen Blick zu.
«Ich wünschte wirklich, daß du hie und da mitspieltest, Oliver.»
Beim Essen herrschte kein völliges Schweigen – meine Mutter hatte eine bemerkenswerte Gabe für leichtes Geplauder.
«Ihre Familie stammt also aus Cranston, Jenny?»
«Größtenteils. Meine Mutter war aus Fall River.»
«Die Barretts haben Fabriken in Fall River», stellte Oliver III fest.
«In denen sie seit Generationen die Armen ausgebeutet haben», fügte Oliver IV hinzu.
«Aber im 19. Jahrhundert», ergänzte Oliver III. Meine Mutter lächelte, offensichtlich befriedigt darüber, daß ihr Oliver diese Partie für sich entschieden hatte. Aber nicht doch, nicht doch.
«Und was ist mit den Plänen, die Fabriken voll zu automatisieren?» feuerte ich zurück.
Es entstand eine kurze Pause. Ich wartete auf einen Schmetterball
«Wie wär’s mit einem Kaffee?» fragte Alison Forbes Schwipsy Barrett.
Zur unwiderruflich letzten Runde wechselten wir hinüber in die Bibliothek. Jenny und ich hatten am nächsten Tag Vorlesungen. «Altes Steingesicht» hatte seine Bank und so, und Schwipsy hatte sicherlich schon in aller Herrgottsfrühe etwas Wichtiges vor.
«Zucker, Oliver?» fragte meine Mutter.
«Oliver nimmt immer Zucker, Liebling», sagte mein Vater.
«Heute abend nicht, danke», sagte ich. «Einfach schwarz, Mutter.»
Na ja, nun hatten wir alle unsere Tassen und saßen so gemütlich da und hatten einander nicht das geringste mitzuteilen. So brachte ich ein Thema aufs Tapet.
«Sag mal, Jennifer», erkundigte ich mich. «Was hältst du vom Friedenskorps?»
Sie blickte mich stirnrunzelnd an und lehnte es ab, mitzuspielen.
«Oh, hast du es ihnen gesagt, O. B.?» fragte meine Mutter meinen Vater.
«Es ist jetzt nicht der Moment, meine Liebe», sagte Oliver III mit einer Art von Bescheidenheit, die laut in die Gegend funkte: Frag mich, frag mich doch. Also mußte ich.
«Was ist denn damit, Vater?»
«Nichts Wichtiges, mein Junge.»
«Ich begreife nicht, wie du das sagen kannst», sagte meine Mutter und wandte sich an mich, um ihre Botschaft mit allem Nachdruck vorzutragen (ich habe schon gesagt, daß sie immer zu ihm hielt).
«Dein Vater wird Direktor des Friedenskorps.»
«Oh.»
Jenny sagte auch «Oh», aber in ganz anderem Ton, viel fröhlicher.
Mein Vater tat, als würde er verlegen, und meine Mutter schien zu erwarten, daß ich mich vor irgend etwas verneigte. Ich meine, schließlich und endlich ist es ja kein Ministerposten.
«Herzlichen Glückwunsch, Mr.Barrett.» Jenny ergriff die Initiative.
«Ja. Gratuliere.»
Mutter war begierig, darüber zu reden.
«Ich glaube wirklich, daß es eine wundervolle, erzieherische Erfahrung sein wird», sagte sie.
«O ja, bestimmt», pflichtete Jenny bei.
«Ja», sagte ich ohne viel Überzeugung. «Öh – reichst du mir mal den Zucker, bitte.»
8
«Jenny, es ist schließlich kein Ministerposten!»
Gott sei Dank, endlich befanden wir uns auf der Heimfahrt nach Cambridge.
«Trotzdem, Oliver, du hättest dich begeisterter zeigen sollen.»
«Ich hab ja gesagt: Gratuliere.»
«Fabelhaft großzügig von dir.»
«Was, zum Teufel, hast du denn erwartet?»
«Mein Gott», erwiderte sie. «Das alles macht mich ganz krank.»
«Glaubst du, mich nicht?» ergänzte ich.
Lange Zeit fuhren wir, ohne ein Wort zu sagen, dahin. Irgend etwas lag in der Luft.
«Was macht dich ganz krank, Jen?» fragte ich nach längerem Nachdenken.
«Die abscheuliche Art und Weise, wie du deinen Vater behandelst.»
«Und was ist mit der abscheulichen Art und Weise, wie er mich behandelt?»
Ich hatte
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