Love Story: Roman (German Edition)
die beiden sich für diesen weihevollen Augenblick ausgesucht haben.»
Die Braut fing an. Jenny stand mir zugewandt und sagte das Gedicht auf, das sie gewählt hatte. Es war ergreifend, vielleicht wirkte es besonders auf mich so, weil es ein Sonett von Elisabeth Barrett war:
Wenn schweigend, Angesicht in Angesicht
Sich unsrer Seelen ragende Gestalten ,
So nahestehn, daß nicht mehr zu verhalten
Ihr Feuerschein aus ihren Flügeln bricht …
Aus den Augenwinkeln sah ich Phil Cavilleri, bleich, mit hängendem Unterkiefer, die Augen weit aufgerissen in einem Gemisch aus Staunen und Bewunderung. Wir hörten zu, bis Jenny ihr Sonett beendet hatte, das fast ein Gebet war.
… Da ist gerade Platz zum Stehen und Lieben
Für einen Tag, von Dunkelheit umschwebt
Und von der Todesstunde rund umschrieben. [3]
Dann war ich dran. Es war schwer gewesen, ein Stück Lyrik zu finden, das ich rezitieren konnte, ohne rot zu werden. Ich meine, ich konnte mich nicht hinstellen und irgendwelche Spitzendeckchen-Niedlichkeiten aufsagen. Ich konnte es wirklich nicht. Aber einen Abschnitt aus Walt Whitmans Lied der Straße , obwohl ziemlich kurz, sagte alles für mich.
… Ich gebe dir meine Hand.
Ich geb dir meine Liebe, kostbarer als Geld.
Ich gebe dir mich selbst vor Pred’ger und Gesetz;
Willst du dich mir geben? Willst du mit mir gehn ,
Woll’n wir zusammenbleiben, solang wir leben?
Ich war zu Ende, und es war wundervoll still im Raum. Dann gab Ray Stratton mir den Ring, und Jenny und ich – wir selbst – sprachen das Ehegelöbnis und wollten uns «von diesem Tage an lieben und ehren, bis der Tod uns scheidet».
Mit der ihm vom Commonwealth von Massachusetts verliehenen Autorität erklärte uns Mr.Timothy Blauvelt zu Mann und Frau.
Wenn ich so darüber nachdenke, war unsere «Nachspiel-Feier» (wie Stratton sie nannte) aufs anspruchsvollste anspruchslos. Jenny und ich hatten die Masche mit dem Champagner strikt abgelehnt, und da unsere Gesellschaft so klein war, daß wir miteinander in einer Trinknische Platz hatten, gingen wir zu Cronin ein Bier trinken. Wenn ich mich recht entsinne, schmiß uns Jim Cronin höchstpersönlich eine Runde, als Tribut für den «größten Hockeyspieler von Harvard seit den Brüdern Cleary».
«Teufel auch», ließ Phil Cavilleri hören und hieb mit der Faust auf den Tisch. «Er ist besser als sämtliche Clearys zusammen!» Was Philip (er hatte noch nie ein Eishockeyspiel in Harvard gesehen) wirklich meinte, war dies, glaube ich: Ganz egal, wie Bobby oder Billy Cleary vielleicht hatten Schlittschuh laufen können, keiner hatte es weit genug gebracht, um seine entzückende Tochter zu heiraten. Ich meine, wir waren alle miteinander blau und hatten nun einen triftigen Grund, noch blauer zu werden.
Ich ließ Phil die Rechnung zahlen, eine Entscheidung, die mir später eines von Jennys höchst seltenen Komplimenten für mein Einfühlungsvermögen eintrug. («Du wirst noch mal ganz menschlich werden, Preppie.») Zum Schluß, als wir ihn zum Bus brachten, wurde es dann etwas haarig, weil die Tränenschleusen aufgezogen wurden. Ich meine, seine, Jennys und womöglich auch meine, ich kann mich an nichts mehr erinnern, bloß noch daran, daß es ein feuchter Augenblick war.
Jedenfalls bestieg er nach allen erdenklichen Segenswünschen den Bus, und wir standen und winkten ihm nach, bis er außer Sicht war. Etwa um diese Zeit dämmerte mir dann auch die schreckliche Wahrheit.
«Jenny! Wir sind regelrecht verheiratet!»
«Jawohl, und jetzt werde ich anfangen, ein Ekel zu werden!»
12
Mit einem einzigen Wort läßt sich unsere Alltagsbeschäftigung während der ersten drei Jahre beschreiben: knausern! Den lieben langen Tag war unser Denken darauf konzentriert, wie wir, zum Teufel, genügend Piepen zusammenkratzen konnten für das, was gerade nötig war. Gewöhnlich ging es mit plus minus null auf. Und daran ist bestimmt nichts romantisch. Erinnern Sie sich noch an die berühmte Stanze des Omar Khayam? Sie wissen doch: der Band Gedichte im Schatten des Astes, der Laib Brot, der Krug Wein und so? Wenn Sie den Band Gedichte durch das Bürgerliche Gesetzbuch ersetzen und sich dann mal ansehen, wie dieses poetische Bild sich vor dem Hintergrund meiner Existenz ausnimmt – dann ist es nichts mit: Aaaah, das Paradies auf Erden! O nein, es ist die pure Scheiße. Ich dachte bloß daran, wieviel das Buch kostete (ob man es wohl antiquarisch bekam?) und wo wir, wenn überhaupt, dieses Brot und
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