Love Story: Roman (German Edition)
nicht, daß dieses Amt sich in Familienstreitigkeiten einmischen sollte. Noch dazu in so unerfreuliche.»
«Okay, Herr Dekan», sagte ich und erhob mich dabei. «Ich begreife, worauf Sie hinauswollen. Ich bin trotzdem nicht gewillt, meinem Vater die Stiefel abzulecken, bloß damit Sie für die juristische Fakultät ein Barrett-Auditorium bekommen.»
Als ich mich zum Gehen wandte, hörte ich Dekan Thompson murmeln: «Das ist doch unfair.»
Genau das war auch meine Meinung.
11
Jennifer wurde am Mittwoch ihr Examensdiplom überreicht. Alle Arten von Verwandten aus Cranston, Fall River – sogar eine Tante aus Cleveland – strömten in Cambridge zusammen, um bei dem Festakt anwesend zu sein. Wie verabredet, wurde ich nicht als Jennys Bräutigam vorgestellt, und Jenny trug keinen Ring: Dies geschah, damit niemand (zu früh) beleidigt sein konnte, weil ihm das Fest unserer Hochzeit entging.
«Tante Clara, das hier ist mein Freund Oliver», sagte Jenny und fügte stets hinzu: « Der hat sein Diplom noch nicht.»
Obwohl sie sich gegenseitig des öfteren in die Rippen stießen, flüsterten und sogar offene Vermutungen laut werden ließen, bekamen die Verwandten aus keinem von uns präzise Auskünfte heraus – auch aus Phil nicht, der, glaube ich, ungemein froh war, einer Diskussion über «Liebe zwischen Atheisten» aus dem Weg zu gehen.
Am Donnerstag wurde ich Jenny akademisch ebenbürtig und bekam mein Harvard-Zeugnis, magna cum laude , genau wie sie. Außerdem wurde ich der Zeremonienmeister meiner Klasse und mußte in dieser Eigenschaft die hohen Semester, die gerade ihr Examen bestanden hatten, zu ihren Plätzen geleiten. Das hatte zur Folge, daß ich noch vor den Summa-cum-Laudisten, also vor den Ober-Superhirnen einherging. Fast kam ich in Versuchung, diesen Knilchen zu sagen, daß meine Anwesenheit als ihr Führer meine Theorie beweise, eine Stunde auf dem Dillon-Sportgelände sei genausoviel wert wie zwei in der Widener-Bibliothek. Aber ich hielt mich zurück. Heute sollte eitel Freude herrschen.
Ich hatte keine Ahnung, ob Oliver Barrett III anwesend war oder nicht. Bei einer solchen Urkundenverteilung drängen sich über 17 000 Menschen auf dem Harvard-Gelände, und natürlich suchte ich die Reihen nicht mit dem Feldstecher ab. Daß ich die für meinen Vater bestimmten Eintrittskarten Phil und Jenny gegeben hatte, war klar. Als alter Akademiker kam «Altes Steingesicht» sowieso hinein und konnte bei seiner Klasse, Jahrgang 1926, sitzen. Aber warum sollte er kommen wollen? Die Banken hatten schließlich geöffnet, meine ich, oder?
Die Hochzeit war am Sonntag danach. Der Grund, weshalb wir Jennys Verwandtschaft dabei ausschlossen, war unsere ehrliche Besorgnis, dieses Ereignis, bei dem wir den allmächtigen Vater, Sohn und Heiligen Geist ausgeschaltet hatten, werde für stramme Katholiken zu peinlich sein. Die Hochzeit fand im Phillips Brooks House statt, einem alten Gebäude nördlich des Harvard-Geländes. Timothy Blauvelt, der College-Kaplan der Unitarier, leitete sie. Selbstverständlich war Ray Stratton da, und ich hatte auch Jeremy Nahum, einen guten Freund aus meiner Exeter-Zeit, der später nach Amherst statt nach Harvard gegangen war, eingeladen. Jenny hatte eine Freundin aus ihrem Wohnheim eingeladen und dazu – vielleicht aus sentimentalen Gründen – ihre lange, linkische Kollegin aus der Bibliothek, von der Buchausgabe. Und natürlich Phil.
Ich hatte Ray Stratton gebeten, sich Phils anzunehmen. Ich meine, er sollte dafür sorgen, daß Phil so gelassen wie möglich blieb. Nicht, daß Stratton selber gelassen gewesen wäre! Die zwei standen da und schauten gräßlich betreten, und jeder bestärkte stillschweigend den anderen in seinem Vorurteil, daß diese «Do-it-yourself-Hochzeit» (wie Phil sie nannte) «etwas Entsetzliches» werden würde (wie Stratton es immer wieder prophezeite). Und alles bloß, weil Jenny und ich ein paar Worte zueinander sagen würden. Wir hatten das im Frühjahr schon einmal mitgemacht, als sich eine von Jennys musikalischen Freundinnen, Marya Randall, mit einem jungen Konstruktionszeichner namens Eric Levenson verheiratet hatte. Es war wunderschön gewesen, und wir hatten uns für die Idee begeistert.
«Sind Sie bereit?» fragte Mr.Blauvelt.
«Ja», antwortete ich für uns beide.
«Liebe Freunde», wandte sich Mr.Blauvelt an die anderen, «wir sind zusammengekommen, um dabeizusein, wenn zwei Menschen sich ehelich verbinden. Hören wir also, welche Worte
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