Love Train
Kopf und zog wohl ein ziemlich enttäuschtes Gesicht, denn Juli versicherte sofort: »Keine Bange, Lena, für dich fällt uns auch noch was ein.« Aber ich fand, dass sie nicht sehr überzeugt klang.
»Toll!«, sagte ich und meine Enttäuschung schlug nun doch in Wut um. »Dummerweise haben wir dafür aber nur noch drei Stunden Zeit!« Es war neun Uhr morgens und heute Mittag waren wir mit Tobias und Felix am Trafalgar Square verabredet. Ich hatte nicht die geringste Idee, wie ich bis dahin an dieses blöde Bild kommen sollte. »Hätten wir doch bloà ein Foto bei Madame Tussauds gemacht!«, motzte ich.
»Hm, lass uns jemanden fragen, der sich damit auskennt. Irgendjemanden, der hier lebt.« Juli sprang auf und wandte sich an die Frau am Empfang. »Do you know where we can meet the Royal Family?« Wissen Sie, wo wir die königliche Familie treffen können? Sehr witzig, Juli!
Die Frau, die vermutlich daran gewöhnt war, dass Touristen solche bescheuerten Fragen stellten, verzog jedoch keine Miene. »Buckingham Palace?«, schlug sie vor und Juli klatschte sich auf die Stirn, als ob das ein genialer Einfall wäre.
»Klar. Wieso sind wir da nicht selbst drauf gekommen?« Und bevor ich nur den geringsten Zweifel an dem Vorschlag anbringen konnte, waren wir unterwegs zur Underground -Station.
Der Buckingham Palace zählt zu den wenigen Königspalästen der Welt, die noch aktiv genutzt werden. Er dient sowohl als Wohnsitz Ihrer Majestät, der Königin, als auch als Amtssitz. Bei offiziellen Staatsanlässen werden dort zum Beispiel ausländische Gäste empfangen. Für Touristen ist der Palast ein beliebtes Highlight bei Londonbesuchen. So stand es in meiner London-App, die mir auÃerdem verraten hatte, dass es im Sommer möglich war, den Palast zu besichtigen.
An und für sich klang das nicht schlecht. Wenn die Queen im Buckingham Palast wohnte, dann gab es zumindest eine klitzekleine Chance, sie dort auch zu sehen. Wenigstens aus der Ferne. Vielleicht, dachte ich, steht sie gerade auf dem Balkon, den man von all den offiziellen Fotos kennt, und genieÃt die frische Luft. Oder sie macht einen Spaziergang im Park, wer weiÃ. Obwohl ich das nicht wirklich glaubte, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Immerhin: Auf dem Dach des Palasts wehte eine Flagge â und das hieà ja bekanntlich, dass die Queen zu Hause war.
In den imposanten Palast hineinzukommen, war auf jeden Fall ganz leicht â viel leichter, als in den Club am Sloane Square . Wir mussten nur eine ganze Weile in einer Schlange stehen, dann dem Kassierer mit dem Topfhaarschnitt und der steifen schwarzen Krawatte unser Geld hinlegen (10,85 Pfund Kinderpreis für mich, 19 Pfund Erwachsenenpreis für Juli, was mich mit einer gewissen Befriedigung erfüllte), durch einen Sicherheitscheck wie am Flughafen gehen â und schon waren wir drin. Mitten im Prunk!
Neunzehn State Rooms waren zu besichtigen, also die Räume, die für offizielle Anlässe genutzt werden â einer pompöser als der andere! Das Audio-Set auf meinen Ohren fütterte mich mit endlosen Informationen über all diese Pracht, während ich mich mit den Besuchermassen von Raum zu Raum schob. Alles war golden und glitzerte! Riesige Kronleuchter baumelten von den Decken, Brokattapeten zierten die Wände, schwere Teppiche bedeckten die Böden und zu jedem Möbel stück schien es eine eigene Geschichte zu geben. Und überall hingen Gemälde von berühmten Malern, von denen ich nicht einen einzigen kannte.
Im White Drawing Room gab es eine Geheimtür, die hinter einem Spiegel in die Privatgemächer der Königin führte. Kaum hatte mein Audio-Guide mir diese Information verraten, fixierte ich die beschriebene Stelle für einige Minuten, doch nichts bewegte sich. Näher würde ich der königlichen Familie wohl nicht kommen!
Trotzdem konnte ich mich der Macht dieser Pracht nicht entziehen und war angemessen beeindruckt. Es fühlte sich beinahe ein bisschen so an, als wäre ich selbst Teil dieses Prinzessinnenzaubers, als ich durch den rotgoldenen Throne Room auf das Podest mit den beiden leeren Sesseln unter dem Baldachin zuschritt: Hier saà die Queen bei hochoffiziellen Anlässen. Fast hätte ich einen Knicks gemacht.
Ob es wohl reichen würde, ein Foto mit diesem Thronsessel zu machen? Immerhin hatte Elizabeth II. darauf gesessen.
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