Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
da warst. Schon deshalb nicht, weil ihr Anblick mich viel zu sehr an Dich erinnert, und, na ja, das kann ich nicht verkraften. Außerdem …. Julia, sie schneiden mich. Und das kann ich verstehen. Ich wollte mit keinem von ihnen über den Unfall reden, nicht mal auf Deiner Beerdigung. Und ich war den Sommer über in Pinewood, statt auf Partys. Ich war dabei, als Du gestorben bist.
Ich bin der Grund, dass Du tot bist.
Also keine alten Freunde. Auch keine neuen in meinen bescheuerten Leistungskursen, was mir nur recht ist, weil ich keine Lust habe, mit Leuten herumzuhängen, die vorlauter Einbildung stinken. Allerdings – lach nicht – hat Corn Syrup tatsächlich mit mir gesprochen! Wir saßen in unserer Arbeitsgruppe in Englisch, als jemand auf der anderen Seite des Klassenzimmers Deinen Namen sagte, und ich … also ich muss total weggetreten sein oder so. Richtig zusammengebrochen. Mein Gehirn machte einfach pffft! und mein Gesicht wurde ganz heiß und ich konnte plötzlich weder hören noch denken noch sonst was. Ich habe noch dunkel wahrgenommen, dass Mel zu mir herschaute, und dann zu Patrick (der wie immer auf seinen Schreibtisch starrte, obwohl ich glaube, dass er vielleicht mich angesehen hat). Aber Caro war die Einzige, die was gesagt hat: »Amy, bist du okay? Brauchst du vielleicht ein Glas Wasser oder so …« Aber dann hat Beth Emory über mich gelacht und Corn Syrup verstummte. Seither hat sie nicht mehr mit mir gesprochen.
Du erinnerst dich doch an Beth, oder? Dieses Miststück aus der Mittelschule? Sie ist ganz die Alte. Schön, gemein und giftig wie eine Klapperschlange: Sie schafft es, ihre Freunde mit ein paar gezielten Worten in blökende Schafe zu verwandeln. Bäääh! Caro hängt natürlich immer noch mit ihr herum.
Ach ja, einer redet doch mit mir, und zwar dieser Typ, dieser Mel. In Englisch, wenn wir in dieser bescheuerten Gruppe sitzen, nervt er mich immer mit seinen Fragen. »Was ist deine Lieblingsfarbe?« oder »Wieso hast du Psychologie abgewählt und stattdessen Umweltwissenschaften genommen?«. So geht das die ganze Zeit. Das Komische ist, dass er zwar eine Menge über mich weiß –zum Beispiel kennt er meinen Stundenplan – und mich dauernd ausfragt, aber meine Antworten interessieren ihn überhaupt nicht. Ich kann ihn nicht einschätzen, aber das macht nichts, weil er mir egal ist.
Soll ich Dir sagen, was mein größtes Problem in der Schule ist? Das Mittagessen. Absurd, was? Jedenfalls hätte ich das nicht gedacht. In Pinewood haben wir eine Menge Rollenspiele gemacht (ja, lach nur!), weil wir lernen sollten, »wir selber zu sein«, und das war für mich okay. Aber in der Schule ist das anders. Wer wo sitzt und mit wem und warum, ist hier praktisch das Einzige, was zählt, und die Tatsache, dass ich keine Freunde habe, bei denen ich sitzen kann … na ja, Du weißt ja, was das bedeutet. Und wozu mich das in den Augen der anderen macht.
Es gibt noch mehr Loser außer mir, die allein sitzen, aber ich habe keine Lust, mich mit sozialen Problemfällen abzugeben, und selbst wenn, könnte ich mich nie dazu überwinden, mit der »Schnurrbärtigen« zu essen, der mal jemand stecken müsste, dass sie ihren Oberlippenbart bleichen soll, oder mit dem Typ, der immer in Anzug und Krawatte herumläuft. Wahrscheinlich hält er das für ein Mode-Statement, aber wir sind hier an der Highschool, verdammt noch mal. Oberstes Gebot: ja nicht auffallen. Nur wenn du einigermaßen wie alle anderen bist, kannst du das hier überstehen und irgendwann in die große, weite Welt hinausziehen.
5
Die Schule fing eigentlich ganz normal an: langweiliger Unterricht, langweilige Leute. Das Übliche. Und dann kam das Mittagessen.
Zuerst war es auch wie immer. Ich habe mir eine Portion Pommes und eine Limo gekauft und dann einen Platz ganz unten am Freshman-Loser-Tisch ergattert. Die Loser – nichts als Pickel und Verzweiflung – glotzten mich an. Ich hörte, wie einer von ihnen »Julia« flüsterte, und ich sah sie vor mir, wie sie morgens vor meinem Haus saß und auf mich wartete, wie sie ihren Kaffee vom Mini-Markt trank und den Styroporbecher zerrupfte. Sie ließ es immer »schneien«, wenn ich ins Auto stieg, und eine Sekunde lang war ich glücklich, war alles beim Alten: Ich hörte mich laut gähnen, während ich mich anschnallte, hörte sie lachen, wenn die Styroporstückchen auf uns herunterrieselten. Meine Augen fingen an zu brennen und ich starrte verzweifelt auf meine
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