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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eine Grotte entstanden war, hast du gewusst, dass du ihn gefunden hattest, und konntest nicht länger warten. Wie nervös du wohl gewesen bist? Wie ängstlich besorgt, ich würde dich ausreden lassen und dir dann erklären, dass ich dich nun doch nicht heiraten will?
    Lisey war überzeugt, dass er wirklich nervös gewesen war. Sie konnte sich an seine Schweigsamkeit während der Auto fahrt erinnern. Hatte sie nicht schon damals gedacht, dass er irgendwas auf dem Herzen hatte? Ja, weil Scott sonst so ge sprächig war.
    »Aber du musst mich damals doch schon gut genug ge kannt haben …«, begann sie, brachte den Satz aber nicht zu Ende. Das Angenehme an Selbstgesprächen war, dass man meist nicht ganz auszusprechen brauchte, was man meinte. Im Oktober 1979 musste er sie gut genug gekannt haben, um zu glauben, dass sie bei ihm bleiben würde. Teufel, als sie ihn nicht aufgefordert hatte, sich zu verpissen, nachdem er sich die Hand an einer Scheibe des Parks Greenhouse ruiniert hat te, musste er gewusst haben, dass sie zu ihm halten würde. Aber machte es ihn vielleicht nervös, dass er im Begriff war, diese alten Erinnerungen preiszugeben, diese uralten Elektro zäune zu berühren? Sie vermutete, dass er wegen dieser Sache mehr als nur nervös gewesen war. Sie vermutete, dass er sich fast zu Tode geängstigt hatte.
    Trotzdem hatte er ihre behandschuhte Hand in seine ge nommen, auf den Baum gedeutet und gesagt: »Lass uns dort essen, Lisey – komm, wir gehen unter dieser
    »Komm, wir gehen unter dieser Weide essen«, sagt er, und Lisey lässt sich nur allzu gern darauf ein. Zum einen hat sie gewaltigen Hunger. Zum anderen tun ihr die Beine – vor allem die Waden – weh, von der ungewohnten Fortbewegungs weise mit Schneeschuhen: heben, drehen und schütteln … heben, drehen und schütteln . Vor allem jedoch hat sie für eine Weile genug von dem Anblick des unaufhörlich fallenden Schnees. Zugegeben, dieser Ausflug ist so wundervoll, wie der Wirt ihn geschildert hat, und an die Stille, in der die einzigen Laute das Knirschen ihrer Schneeschuhe, ihre Atemgeräusche und das rastlose Hämmern eines weit entfernten Spechts sind, wird sie sich vermutlich ihr Leben lang erinnern. Aber der ständige Wolkenbruch (das ist wirklich der einzig passende Ausdruck) aus riesigen Flocken hat angefangen, sie wahnsin nig zu machen. Es schneit so dicht und heftig, dass sie nicht mehr richtig scharf sehen kann und sich daher desorientiert und leicht schwindlig fühlt. Die Weide steht am Rand einer unregelmäßigen Lichtung, und ihre tief herabhängenden, noch grünen Zweige sind dick mit Eis und Schnee überzogen.
    Nennt man sie Wedel?, fragt Lisey sich und nimmt sich vor, Scott beim Lunch danach zu fragen. Scott wird es wissen. Sie fragt ihn nie. Andere Dinge kommen dazwischen.
    Scott stapft auf die Weide zu, und Lisey folgt ihm, hebt die Füße, dreht sie, um den Schnee abzuschütteln, und bleibt in der Spur ihres Verlobten. Als Scott den Baum erreicht, teilt er die schneebedeckten … Wedel, Zweige, was immer sie sind … wie einen Vorhang und begutachtet, was sich dahinter befin det. Dabei reckt er seinen bejeansten Hintern einladend in ihre Richtung.
    »Lisey!«, sagt er. »Das ist wirklich hübsch! Warte, bis du s…«
    Sie hebt den Schneeschuh A und tritt gegen den bejeansten Hintern B. Prompt verschwindet der Verlobte C (mit einem überraschten Fluch) unter der verschneiten Weide D. Das ist amüsant, sehr amüsant sogar, und Lisey beginnt zu kichern, während sie im dichten Schneefall steht, über und über von dem weißen Zeug bedeckt; selbst ihre Wimpern sind schwer davon.
    »Lisey?« Von innerhalb des herabhängenden weißen Schirms.
    »Ja, Scott?«
    »Kannst du mich sehen?«
    »Nee«, sagt sie.
    »Dann komm ein bisschen näher.«
    Das tut sie, indem sie in seine Spuren tritt. Sie weiß, was sie zu erwarten hat, aber als sein Arm durch den schneebe deckten Vorhang schießt und seine Hand sie am Handgelenk packt, ist sie trotzdem überrascht. Und sie kreischt vor La chen, weil sie etwas mehr als nur überrascht ist; sie ist tat sächlich ein bisschen erschrocken. Er zieht sie vorwärts, und plötzlich klatscht ihr kaltes Weiß ins Gesicht, blendet sie sekundenlang. Die Kapuze ihres Parkas wird nach hinten abgestreift, sodass ihr Schnee in den Nacken rieselt und sie spürt, wie er auf ihrer warmen Haut schmilzt. Ihre Ohren schützer sitzen ganz schief. Sie hört ein gedämpftes Flump!, mit dem hinter ihr eine ganze Ladung Schnee

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