Love
mit Scott Linden angekündigt war. Sie wusste noch, dass sie das Pro gramm wegen dieses Druckfehlers aufgehoben und ihrem Mann erklärt hatte, dass es eines Tages ein Vermögen wert sein würde, worauf Scott geantwortet hatte: Freu dich nicht zu früh, Babylove. Das Datum auf dem Programm war der
19. März 1980 … wo waren also ihre Souvenirs aus dem Antlers? Hatte sie von dort etwa nichts mitgebracht? Damals hatte sie eigentlich immer irgendwas mitgenommen, es war eine Art Hobby gewesen, sie hätte schwören können …
Sie nahm das »Scott Linden«-Programm heraus, und dar unter lag eine dunkel purpurrote Speisekarte mit den Worten The Antlers und Rome , New Hampshire in goldenem Prägedruck. Und sie konnte Scott so deutlich hören, als flüsterte er ihr ins Ohr: Bist du in Rom, mach's wie die Römer . Das hatte er an jenem Abend im Speisesaal (leer bis auf sie und eine einzelne Bedienung) zu ihr gesagt, als er für sie beide das Chef's Spe cial bestellt hatte. Und später im Bett noch einmal, als er ihren nackten Körper mit seinem bedeckt hatte.
»Ich wollte dafür bezahlen«, murmelte sie und hielt die Speisekarte hoch, wie um sie ihrer sonnigen leeren Küche zu zeigen, »aber der Kerl meinte, ich könnte sie einfach mit nehmen. Weil wir ihre einzigen Gäste waren und wegen des Schneesturms.«
Dieser verrückte Schneesturm im Oktober. Statt der vorge sehenen einen Nacht waren sie zwei Nächte geblieben, und in der zweiten hatte Lisey noch wach gelegen, als Scott längst schlief. Die Kaltfront, die den vorzeitigen Wintereinbruch gebracht hatte, zog bereits wieder ab, und sie konnte den Schnee schmelzen und vom Dach tropfen hören. Sie hatte in diesem fremden Bett gelegen (dem ersten von vielen, die sie mit Scott geteilt hat) und über Andrew »Sparky« Landon und Paul Landon und Scott Landon – Scott den Überlebenden – nachgedacht.
Und über das Purpurrote. Vor allem auch darüber.
Irgendwann waren die Wolken aufgerissen, und das Zim mer hatte sich mit windigem Mondschein gefüllt. In diesem Licht war sie endlich eingeschlafen. Am nächsten Tag, einem Sonntag, waren sie durch eine Landschaft gefahren, die aus dem Winter in den Herbst zurückkehrte, und weniger als einen Monat später hatte sie zu den Swinging Johnsons ge tanzt: »Too Late to Turn Back Now.«
Als sie die Speisekarte mit Goldprägedruck aufklappte, um nachzusehen, was es an dem damaligen Abend als Chef's Special gegeben hatte, fiel ein Foto heraus. Lisey erinnerte sich sofort wieder daran. Der Besitzer des Gasthofs hatte es mit Scotts kleiner Nikon gemacht. Der Kerl hatte zwei Paar Schneeschuhe aufgetrieben (seine Langlaufski waren noch oben in North Conway eingelagert, hatte er gesagt, gemein sam mit seinen vier Schneemobilen) und darauf bestanden, dass Scott und Lisey eine Wanderung auf dem Naturlehrpfad hinter dem Gasthof machten. Frisch verschneit sind die Wäl der herrlich, hörte Lisey ihn noch sagen, und Sie haben sie ganz für sich allein – weit und breit kein Langläufer und kein Schneemobil. Das ist eine einmalige Chance.
Er hatte ihnen sogar ein Lunchpaket mit einer Flasche Rot wein auf Kosten des Hauses zurechtgemacht. Und so standen sie mit Schneehosen und Parkas und Ohrenschützern ausstaf fiert da, die die liebenswürdige Frau des Kerls für sie zusam mengesucht hatte (Liseys Parka lächerlich groß, sodass sich der Saum auf Kniehöhe befand), und ließen sich in einem Schneesturm, der wie ein Hollywood-Spezialeffekt aussah, mit Schneeschuhen an den Füßen und wie zwei fröhliche Trottel grinsend vor einem Landgasthof fotografieren. Auch der Rucksack, in dem Scott ihren Lunch und die Flasche Rot wein trug, war eine Leihgabe. Scott und Lisey auf dem Weg zum Lecker-Baum, obwohl das zu diesem Zeitpunkt noch keiner von beiden ahnte. Unterwegs zu einem Ausflug in die Vergangenheit. Nur war die Memory Lane für Scott Landon eine Freak Alley, sodass es kein Wunder war, dass er sie nicht oft ging.
Trotzdem, dachte sie und ließ die Fingerspitzen wie zuvor über das Hochzeitsfoto über diese Aufnahme gleiten, musst du gewusst haben, dass du sie – ob du wolltest oder nicht – mindestens einmal würdest gehen müssen, bevor ich dich heirate. Du hattest mir etwas zu erzählen, nicht wahr? Die Geschichte, die deine einzige nicht verhandelbare Bedingung rechtfertigte. Du musst wochenlang auf der Suche nach dem angemessenen Ort gewesen sein. Und als du diesen Baum, diese Weide gesehen hast, die so verschneit war, dass unter ihr
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