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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Licht ließ alles so normal aussehen – alles beim Alten, haha. Man erwartete fast, dass er jeden Moment durch die Tür von der Außentreppe hereinkam, Musik anstellte und zu schreiben anfing. Als ob er es nicht für immer und ewig abgeschnallt hätte. Und was hatte sie erwartet zu fühlen? Trauer? Nostal gie? Tatsächlich? Wirklich etwas, das so artig, so wohlerzo gen war wie Nostalgie? Falls ja, war ihre Reaktion ein echter Heuler gewesen, denn was sie in diesem Augenblick gleichzeitig siedend heiß und eisig kalt überkam, war
    3 Was sie überkommt – die praktisch veranlagte Lisey, die immer cool bleibt (außer vielleicht an dem Tag, an dem sie den silbernen Spaten schwingen musste, und selbst bei dieser Gelegenheit, so schmeichelt sie sich, hat sie nicht durchge dreht), die kleine Lisey, die selbst dann die Fassung bewahrt, wenn alle um sie herum den Kopf verlieren –, was sie über kommt, ist eine dramatische, alles verschlingende Wut, ein göttlicher Zorn, der ihren Verstand beiseitezustoßen und die Kontrolle über ihren Körper zu übernehmen scheint. Dennoch (sie weiß nicht, ob das paradox ist oder nicht) scheint diese Wut auch dafür zu sorgen, dass sie wieder klar denken kann, muss dafür sorgen, weil sie plötzlich alles versteht. Zwei Jahre sind eine lange Zeit, aber jetzt endlich fällt der Penny. Sie ist im Bilde. Sie weiß, was Sache ist.
    Er hat ins Gras gebissen, wie man so schön sagt. (Gefällt dir das?) Er hat den Löffel abgegeben . (Klingt das nicht allerliebst?)
    Er sieht die Radieschen von unten. (Das ist ein großer Fisch, den ich in dem Pool gefangen habe, zu dem wir alle hinunter gehen, um zu trinken und zu angeln.)
    Und was bleibt übrig, wenn man die Sache auf den Punkt bringt? Nun, er hat sie sitzen gelassen. Er ist abgehauen, er ist durchgebrannt, er hat die Füße in die Hand genommen, er ist mit dem Midnight Special aus der Stadt geflohen. Er hat sich aus dem Staub gemacht. Er hat die Frau, die ihn mit jeder Zel le ihres Körpers und des Gehirns in ihrem nicht sonderlich hellen Kopf geliebt hat, im Stich gelassen, und alles, was sie noch von ihm hat, ist diese beschissene … verschmickte … Hülle .
    Sie dreht durch. Lisey sieht rot. Als sie nach vorn in seine beschissene Sammlerecke stürmt, meint sie ihn noch sagen zu hören: SUWAS, Babylove – schnall's um, wenn's angebracht scheint, und dann verstummt er, und sie fängt an, seine Fotos und Plaketten und gerahmten Würdigungen von den Wän den zu reißen. Sie hebt die Lovecraft-Büste hoch, die die Jury ihm für Empty Devils, dieses verhasste Buch, zugesprochen hat, schleudert sie der Länge nach durch sein Büro und kreischt dabei: »Fick dich , Scott, fick dich!« Seit der Nacht, in der er seine Hand durch ein Treibhausfenster gerammt hat, seit der Nacht des Blut-Bools, ist dies eines der wenigen Male, dass sie tatsächlich fick statt schmick sagt. Damals war sie wütend auf ihn, aber nie in ihrem Leben ist sie so zornig auf ihn gewesen wie in diesem Augenblick; wäre er jetzt hier, würde sie ihn vielleicht noch einmal eigenständig umbringen. Sie tobt zügellos, reißt den ganzen wertlosen Scheiß von den Wänden, bis sie kahl sind (wegen des hochflorigen Teppichs zerbrechen nur wenige der Dinge, die sie zu Boden wirft – Gott sei Dank, wird sie später denken, als sie wieder zur Ver nunft kommt). Während sie sich wieder und wieder im Kreis dreht, jetzt unverkennbar ein Wirbelsturm, kreischt sie immer wieder seinen Namen, kreischt Scott und Scott und Scott , weint vor Trauer, weint über den Verlust, weint vor Zorn; wei nend will sie von ihm wissen, wie er sie so verlassen konnte, und dass er zurückkommt, oh, dass er zurückkommt. Von alles beim Alten kann keine Rede sein, ohne ihn ist nichts beim Alten, sie hasst ihn, er fehlt ihr, sie hat ein Loch in sich; ein Wind, der sogar noch kälter ist als der, der aus Yellow knife herangezogen ist, bläst jetzt durch sie hindurch, die Welt ist so leer und so ohne Liebe, wenn es darin niemanden gibt, der einen beim Namen nennt, der einen nach Hause ruft. Zuletzt greift sie sich den Computerbildschirm in der Sammler ecke und hört das warnende Knacken ihres Rückens, als sie ihn hochhebt, aber scheiß auf ihren Rücken, die kahlen Wände verspotten sie, und sie ist außer sich vor Zorn. Sie dreht sich mit dem Monitor in den Armen unbeholfen um und knallt ihn gegen die Wand. Die Bildröhre implodiert mit einem dumpfen fupp!, dann herrscht wieder Stille.
    Nein, draußen sind

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