Love

Vater den am Boden Liegenden weiter würgt.
    Nicht umbringn, Daddy! BITTE BRING 'N NICHT UM!
    Das tu ich nicht, sagt Landon, ohne sich umzusehen, ich sollte's tun, aber ich tu's nicht. Wenigstens nicht gleich. Ei gentlich bescheuert, aber irgendwie ist er mein eigen Fleisch und Blut, mein verdammter Erstgeborener, und ich tu's nur, wenn ich muss. Irgendwann werd ich's wohl müssen. Aber noch nicht. Der Teufel soll mich holen, wenn ich's tu. Er darf jetzt bloß nicht aufwachen. Du hast noch keinen wie ihn erlebt, ich schon. Oben hab ich Glück gehabt, weil ich hinter ihm war. Hier unten könnt ich ihn zwei Stunden jagen, ohne ihn zu erwischen. Er würd die Wände rauf und über die halbe ver dammte Decke laufen. Und wenn ich dann erschöpft wär …«
    Landon nimmt seine Hände von Pauls Hals und starrt angestrengt in das stille weiße Gesicht. Der dünne Blutfaden, der aus Pauls linkem Ohr geflossen ist, scheint versiegt zu sein.
    Na, wie gefällt dir das, du Dreckser, du Drecksack? Er ist wieder weg. Aber bestimmt nicht lange. Hol mir mal die Rolle Seil unter der Treppe, Scoot. Es müsste reichen, bis wir ein paar Ketten aus dem Schuppen holen können. Was danach kommt, weiß ich nicht. Hängt davon ab.
    Hängt wovon ab, Daddy?
    Ängstlich. Hat er jemals solche Angst gehabt? Nein. Und sein Vater betrachtet ihn auf eine Weise, die ihn noch mehr ängstigt. Weil er ihn wissend betrachtet.
    Nun, das hängt von dir ab, Scoot, schätz ich. Du hast ihn oft wieder auf die Beine gebracht … und warum glotzt du mich jetzt so kuhäugig an? Glaubst du, ich hätt's nicht gewusst? Himmel, bist du blöd für so 'n cleveren Jungen! Er dreht den Kopf zur Seite und spuckt auf den festgestampften Boden. Du hast ihn von vielen Sachen geheilt. Vielleicht schaffst du's auch diesmal. Ich hab nie gehört, dass ein Bösmülliger geheilt worden ist … aber ich kenn auch keinen wie dich, also kannst du's vielleicht doch. Halt dich ran, bis du platzt, hätte mein Alter gesagt. Aber jetzt holst du erst mal das Seil unter der Treppe raus. Und mach hin, du lahmarschiger kleiner Dreck sack, weil er
    11 »Er bewegt sich schon wieder«, sagte Lisey, während sie im Büro ihres toten Mannes auf dem cremeweißen Tep pichboden lag. »Er
    12 »Bewegt sich wieder«, sagt Lisey, während sie auf dem kalten Fußboden des Gästezimmers sitzt und die Hand ih res Mannes hält – eine Hand, die warm ist, aber erschreckend schlaff und wächsern in ihrer eigenen liegt. »Scott hat gesagt
    13 Die Argumente gegen geistige Umnachtung fallen mit scharrendem Geräusch weg; dies sind die Klänge toter Stimmen auf toten Schallplatten, die den baufälligen Schacht der Erinnerung hinabschweben. Wenn ich mich zu dir wende, um zu fragen, ob du dich er innerst, wenn ich mich dir in unserem Bett zuwende.
    14 Im Bett mit Scott ist, wo sie diese Dinge hört; im Bett mit ihm im Antlers – nach einem Tag, an dem sich etwas er eignet hat, was sie sich absolut nicht erklären kann. Er erzählt weiter, während die Wolken aufreißen und der Mond wie ein Scheinwerfer heller wird und die Möbel bis an den Rand der Sichtbarkeit schwimmen. Sie hält ihn im Dunkeln umarmt und hört zu, ohne es glauben zu wollen (aber hilflos dagegen), wie der junge Mann, den sie bald heiraten wird, sagt: »Daddy hat mich angewiesen, die Rolle Seil unter der Treppe zu holen. ›Und mach hin, du lahmarschiger kleiner Drecksack‹, sagt er, ›weil er nicht lange bewusstlos bleiben wird. Und wenn er wieder zu sich kommt, ist er
    15 Wenn er wieder zu sich kommt, wird er eine miese Wanze sein.
    Miese Wanze . Wie Scooter, oller Scoot und die Bösmüllig keit gehört die miese Wanze zum internen Wortschatz seiner Familie, der seine Träume (und seine Sprache) für den Rest seines produktiven, aber allzu kurzen Lebens beeinflussen wird.
    Scott holt das Seil unter der Treppe hervor und bringt es Daddy. Daddy verschnürt Paul mit raschen sparsamen Be wegungen, wobei sein Schatten im Licht der drei nackten 75-Watt-Glühbirnen, die mit dem Drehschalter oben an der Treppe eingeschaltet werden, über die Kellerwände tanzt. Er fesselt Paul die Hände so brutal auf dem Rücken, dass die Schulterblätter sogar durch das Hemd hervorstechen. Trotz seiner Angst vor Daddy fühlt Scott sich verpflichtet, dagegen zu protestieren.
    Daddy, das ist zu eng!
    Daddy wirft Scott einen Blick zu. Es ist nur ein kurzer Blick, aber Scott sieht die Furcht darin. Sie ängstigt ihn. Mehr noch, sie schüchtert ihn ein . Dabei hätte er