Love
vor diesem Tag ge schworen, sein Daddy fürchte sich vor nichts außer dem Schulausschuss und seinen verschmickten Einschreibbriefen.
Du hast keine Ahnung, also halt die Klappe! Ich will nicht, dass er sich befreit! Vielleicht würd er uns nicht abmurksen, aber ich müsst ihn erledigen. Ich weiß, was ich tu!
Das weißt du nicht, denkt Scott, während er zusieht, wie Daddy Paul die Beine fesselt: erst an den Knien, dann an den Knöcheln. Paul hat schon angefangen, sich wieder zu bewe gen und gutturale Laute auszustoßen. Du rätst nur rum. Aber er begreift die Wahrheit in Daddys Liebe zu Paul. Diese Liebe mag hässlich sein, aber sie ist wahr und stark. Wäre sie's nicht, würde Daddy bestimmt nicht herumraten. Er würde einfach weiter mit dem Holzscheit auf Paul einhämmern, bis er tot wäre. Einen Augenblick lang fragt sich ein Teil von Scotts Verstand (ein kalter Teil), ob Daddy das auch für ihn riskiert hätte: für Scooter, den ollen Scoot, der nicht mal von einem Tisch springen wollte, bis sein Bruder vor ihm stand und aus zahlreichen Schnittwunden blutete. Aber dann schickt er diesen Gedanken zurück ins Dunkel – schließlich hat der Bösmüll nicht ihn befallen.
Zumindest noch nicht.
Zuletzt fesselt Daddy Pauls Körpermitte an einen der mit Rostschutz gestrichenen Stahlpfeiler, die die Kellerdecke tra gen. So!, sagt er, tritt zurück und schnauft wie ein Mann, der eben im Rodeoring einen Stier mit dem Lasso eingefangen hat. Das hält 'ne Weile, denk ich. Geh in den Schuppen raus, Scott. Hol die leichte Kette, die gleich hinter der Tür liegt, und die große, schwere Traktorkette aus dem Verschlag mit den Lastwagenteilen. Du weißt, welche ich meine?
Paul ist über dem Strick um seine Körpermitte zusammen gesackt. Jetzt setzt er sich so ruckartig auf, dass sein Kopf mit erschreckender Gewalt an den Pfeiler knallt. Scott verzieht unwillkürlich das Gesicht. Paul sieht ihn mit Augen an, die noch bis vor einer Stunde haselnussbraun wie seine eigenen waren. Er grinst, und dabei ziehen sich seine Mundwinkel viel weiter hinauf als an sich möglich … scheinbar bis fast zu den Ohrläppchen.
Scott, sagt sein Vater.
Einmal in seinem Leben achtet Scott nicht auf ihn. Er ist von der Halloween-Maske, die früher das Gesicht seines Bru ders war, förmlich hypnotisiert. Pauls Zunge kommt zwischen den Zahnreihen hervor und tanzt in der moderigen Kellerluft einen Jitterbug. Gleichzeitig wird sein Schritt dunkel, als er sich in die Hose pi…
Über dem linken Ohr hat er eine schlimme Beule, die Scott zurücktaumeln lässt, sodass er wieder an den Tisch mit der Druckerpresse prallt.
Glotz ihn nicht an, Dummie, sieh mich an! Diese miese Wanze hypnotisiert dich wie eine Schlange ein Kaninchen! Scheiße, wach endlich auf, Scooter – das ist nicht mehr dein Bruder!
Scott glotzt seinen Vater an. Wie um Daddys Behauptung zu unterstreichen, stößt das an den Pfeiler gefesselte Wesen einen wilden Schrei aus, der viel zu laut ist, um aus einer menschlichen Brust zu kommen. Aber das ist in Ordnung, denn dies ist kein menschlicher Schrei. Nicht einmal entfernt.
Hol jetzt die Ketten, Scott. Beide. Und beeil dich. Die Stri cke können ihn nicht halten. Ich geh rauf und hol mein .30-.06. Wenn er sich losreißt, bevor du mit den Ketten wieder da bist …
Daddy, bitte erschieß ihn nicht! Du darfst Paul nicht er schießen!
Bring die Ketten. Dann sehn wir, was sich machen lässt.
Die Traktorkette ist zu lang! Zu schwer!
Nimm die Schubkarre, Dummie. Die große Karre. Los jetzt, beeil dich!
Scott wirft noch einen Blick über die Schulter und sieht, wie sein Vater rückwärts gehend den Fuß der Treppe erreicht. Er bewegt sich langsam wie ein Löwenbändiger nach Schluss der Vorführung. Unter sich, grell beleuchtet von einer der nackten Glühbirnen, sieht er Paul. Er hämmert mit seinem Hinterkopf so brutal schnell an den Stützpfeiler, dass Scott an einen Presslufthammer denken muss. Gleichzeitig wirft sich Paul von einer Seite zur anderen. Scott kann kaum glauben, dass Paul nicht blutet oder sich bewusstlos schlägt, aber das tut er nicht. Und Scott sieht, dass sein Vater recht hat. Die Stricke werden nicht lange halten, wenn er weiter so an ihnen reißt.
Das hält er nicht durch, sagt Scott sich, während sein Vater (um sein Gewehr aus dem Schrank in der Diele zu holen) und er (um rasch seine Stiefel anzuziehen) in verschiedene Rich tungen laufen. Wenn er so weitermacht, bringt er sich noch um. Aber dann denkt Scott an
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