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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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herumschlich und nur darauf wartete, dass das letzte Tageslicht verblasste, bevor es seinen Zug machte.
    Zum Sprung ansetzte.
    Mit so stark hämmerndem Herzen, dass ihre verletzte Brust wehtat, umging sie die riesige graue Masse des vor ihr aufra genden Felsens. Und sah nun den Pool wie einen wahr gewor denen Traum unter sich liegen. Als sie auf diesen geisterhaft schimmernden Spiegel hinabsah, nahmen die letzten Erinne rungen ihren angestammten Platz ein, und dieses Erinnern glich einer Heimkehr.
    9 Sie kommt hinter dem grauen Felsen hervor und ver gisst völlig den angetrockneten Blutfleck auf der Glocke, der sie so beunruhigt hat. Sie vergisst die heulende, windige Kälte und die leuchtend wabernden Nordlichter, die sie hinter sich zurückgelassen hat. Einen Augenblick lang vergisst sie sogar Scott, den aufzuspüren und zurückzuholen sie hergekommen ist … immer unter der Voraussetzung, dass er überhaupt kommen will. Sie blickt hinab auf den geisterhaft schimmernden Spiegel des Pools und vergisst alles ande re. Weil er schön ist. Und obwohl sie noch nie hier gewesen ist, hat sie auf seltsame Weise das Gefühl, heimzukehren. Selbst als eines dieser Wesen zu lachen beginnt, hat sie keine Angst, weil sie sich auf sicherem Boden befindet. Das muss ihr niemand erzählen; sie weiß es instinktiv, genau wie sie weiß, dass dies der Pool ist, von dem Scott seit Jahren in seinen Vorlesungen gesprochen und in seinen Büchern geschrieben hat.
    Sie weiß auch, dass dies ein trauriger Ort ist.
    Dies ist der Pool, zu dem wir alle hinuntergehen, um zu trinken, zu schwimmen und ein wenig vom Ufer aus zu angeln; es ist auch der Pool, auf den einige Unerschrockene mit ihren zerbrechlichen Holzbooten hinausfahren, um Jagd auf die Großen zu machen. Es ist der Pool des Lebens, der Quell jeglicher Inspiration, und sie vermutet, dass verschie dene Menschen ihn verschieden sehen, aber allen Versio nen sind zwei Dinge gemeinsam: Er liegt stets ungefähr eine Meile weit im Märchenwald und ist stets traurig. Weil dieser Ort nicht nur von Fantasie geprägt wird. Sondern auch von
    (Nachgeben)
    Warten. Einfach dasitzen … und über die verträumten Was ser hinausblicken … und warten. Es kommt, denkt man. Es kommt bald, das weiß ich. Aber man weiß nicht, was genau eigentlich kommt, und so vergehen die Jahre.
    Wie kannst du das wissen, Lisey?
    Der Mond hat es ihr erzählt, vermutet sie, und die Nord lichter, die einen mit ihrem kalten Glanz die Augen verbren nen können; der süße Staubduft von Jasmin und Rosen auf dem Sweetheart Hill; vor allem jedoch Scotts Augen, als er darum gekämpft hatte, zu bleiben, zu bleiben, zu bleiben. Nicht den Weg zu nehmen, der hierherführte.
    Aus den Tiefen des Waldes dringen weitere keckernde Stim men an ihr Ohr; dann röhrt etwas auf, was die Stimmen vor übergehend verstummen lässt. Hinter ihr bimmelt die kleine Glocke und schweigt dann wieder.
    Ich sollte mich beeilen.
    Ja, obwohl sie spürt, dass Eile ganz und gar nicht zum Wesen dieses Ortes passt. Dass sie ihm zuwiderläuft. Sie müs sen möglichst rasch in ihr Haus auf dem Sugar Top Hill zu rück, und das nicht nur, weil hier Gefahr von wilden Tieren, von Menschenfressern und Trollen und
    (Wichtel und Kobolde)
    weiteren seltsamen Lebewesen tief im Märchenwald droht, wo es ständig dunkel ist wie in einem Verlies und die Sonne niemals scheint, sondern weil Scott umso schwieriger zurück zuholen sein wird, je länger er sich hier aufhält. Und …
    Lisey stellt sich vor, wie es wäre, den Mond, brennend wie ein kalter Edelstein, auf der stillen Oberfläche des Pools zu sehen, und denkt: Davon könnte ich mich faszinieren lassen.
    Ja.
    Alte Holzstufen führen auf dieser Seite des Hügels hinunter zum Pool. Neben jeder steht eine Steinsäule mit einem einge meißelten Wort. In Boo'ya-Mond kann Lisey sie lesen, weiß jedoch, dass sie ihr nach ihrer Rückkehr nichts mehr bedeuten werden; sie wird sich nur an das Allereinfachste erinnern: {tk} bedeutet Brot.
    Die Treppe endet an einer nach links führenden schrägen Rampe, über die sie endlich das Ufer erreicht. Hier schimmert ein Strand mit prachtvoll weißem Sand im rasch vergehenden letzten Tageslicht. Über dem Strand, auf künstlich angelegten Terrassen in einer Felswand, sind ungefähr zweihundert lange, sanft geschwungene Steinbänke mit Blick über den Pool angeordnet. Sie könnten Platz für tausend, vielleicht sogar zweitausend dicht gedrängt sitzende Menschen bieten, aber so viele

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