Lovers (German Edition)
mich zu ernst nehme. Ich hatte das Thema zur Sprache gebracht, eher im Scherz, aber Terry griff es auf, als meinte ich das absolut ernst, und irgendwie verstand ich bald darauf, dass es wirklich stimmt.
Gott, wenn Audrey wüsste, über welchen Scheiß ich nachdenke, würde sie mir bestimmt sagen, ich sollte mich mal entspannen. Und damit hätte sie absolut recht.
Also beschließe ich, locker zu werden.
Ich widme mich wieder meinem fast leeren Margaritaglas und sauge die bittersüße Flüssigkeit durch den Strohhalm. Auf der Zunge ist der Cocktail kühl und rinnt meine Kehle hinab. Ich bin mehr als nur ein bisschen angeheitert, aber das trifft auf alle außer Viviane zu, die uns heimfährt. Audrey lacht über etwas, das Leo gesagt hat, und sie lehnt sich gegen ihn. Schulter an Schulter sitzen sie nebeneinander. Ich versuche, mich in das Gespräch einzuschalten und mit ihnen zu lachen. Aber dafür ist es zu spät; die Pointe habe ich verpasst. Ich lächle trotzdem, als wüsste ich, worüber sie sprechen.
“Hat jemand von Jack gehört?”, fragt Patrice, und ich sehe, wie Audrey aufhört zu lachen und den Kopf aufmerksam dreht. Die Antwort interessiert sie auch.
“Bis jetzt noch nicht”, sagt Viviane. “Aber du weißt ja, wie er ist. Er lebt in seinem eigenen Tempo. Irgendwann wird er unverhofft auftauchen. Wie jedes Jahr.” Sie isst einen Tortillachip mit Salsa und tupft vorsichtig ihren Mund mit der Stoffserviette ab. “Es ist egal. Ich freue mich, wenn er kommt, egal wann er eintrifft.”
Patrice und Kenneth wechseln einen Blick, aber was das nun wieder zu bedeuten hat, weiß ich nicht. Audrey sieht einfach begeistert aus, und Leo wirkt ein bisschen enttäuscht, weil sie ihm nicht länger ihre volle Aufmerksamkeit widmet. Sie beugt sich jetzt über den Tisch zu Viviane hinüber.
“Ich hoffe, er kommt bald”, sagt sie. Das Licht der Kerze in der Tischmitte wird von ihren schwarzen Pupillen reflektiert. Es sieht aus, als glühte in ihren Augen ein Feuer. Vielleicht ist das ja so. “Es ist schon so lange her.”
Viviane nickt und lächelt, aber irgendwie wirkt sie distanziert und nicht ganz bei der Sache. Was ist hier los? Aber ehe ich mich noch darüber wundern kann, kommt der nächste Krug Margerita, und alle trinken und lachen wieder. Audrey flirtet mit dem Kellner, und Leo schmollt sichtlich. Dann widmet sie sich plötzlich wieder ganz ihm, aber zugleich legt sie fast besitzergreifend einen Arm um die Lehne meines Stuhls.
Ich bin inzwischen wirklich etwas betrunken, und mir ist alles ein bisschen egal: was Audrey macht, was es bedeuten könnte. Oder der Tequila hat es einfacher gemacht, mir einzureden, dass es mir egal ist.
Die Fahrt nach Hause dauert nicht lange. Wir sind alle still und vom Alkohol etwas müde. Kenneths leises Schnarchen begleitet den Classic Rock im Radio. Audreys Kopf ruht an meiner Schulter, und mein Körper summt warm. Eine bluesartige Version von “Ain’t No Sunshine” läuft, ich summe leise mit und denke an Audrey. Sie ist wie die Sonne. Strahlend, warm und dynamisch wie niemand, der mir bisher begegnet ist. Bei ihr wird mir leicht ums Herz. Und wenn sie ihr strahlendes Licht von mir abwendet, fühle ich mich leer. Jetzt spüre ich ihr Licht. Und ich habe beobachtet, wie es Leo ähnlich mit ihr erging. Was macht nur ihren Zauber aus?
Ich wünsche mir plötzlich, nach Hause zu kommen. In meinem Bett im gemütlichen Cottage unter der Decke zu liegen und zu lesen. Ich will dieses beklommene Gefühl wegschlafen, dem ich offenbar nicht entkommen kann und das an mir nagt. Dieses merkwürdige Verlangen nach Audreys Aufmerksamkeit. Ihrer Berührung, ihrem Duft.
Besessenheit ist schon etwas Merkwürdiges. Ich habe darüber oft in Romanen gelesen, die ich immer schon verschlungen habe, weil sie für mich so lebenswichtig wie Essen sind. Aber ich habe nie am eigenen Leib erfahren, was Besessenheit heißt. Bis jetzt. Ich glaube nicht, dass das gesund ist. Jedenfalls fühlt es sich nicht gesund an. Es ist zwischen den Momenten, in denen das Objekt meiner Begierde seine Aufmerksamkeit auf mich richtet, schrecklich qualvoll. Aber in diesen seltenen Momenten fühle ich mich so wunderbar, als würde ich von innen durch eine kraftvolle Macht erleuchtet.
Audrey bewegt sich. Sie wendet mir ihr Gesicht zu und murmelt verschlafen einige Worte, ich kann nicht hören, was sie sagt. Aber ich rieche ihren Margarita-Atem, er riecht süß und verführerisch. Wenn wir allein wären, würde ich
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