Lovers (German Edition)
empfinden, sondern auch die schlechten.”
“Auf welche guten Erfahrungen hast du denn in deinem Leben schon intensiv reagiert?”, frage ich ihn.
“Ach, das ist leicht. Meine Schwestern.”
“Ich wusste nicht, dass du Schwestern hast.”
“Eliza und Katie. Sie sind Zwillinge und vier Jahre jünger als ich.”
“Ich habe mir immer eine Schwester gewünscht.”
“Versteh mich nicht falsch! Die beiden sind echte Nervensägen.”
In seiner Stimme schwingen Stolz und Zuneigung mit.
“Dann steht ihr euch nahe?”
Er nickt. “Sie wohnen aber leider zu weit weg. Das mag ich gar nicht, weil ich aus der Ferne so schlecht ein Auge auf sie haben kann. Daran erinnere ich die beiden gerne. Das macht sie schier verrückt, vor allem, weil ich keine Lust habe, in ihre Nähe zu ziehen, weshalb beide glauben, ich sei einfach nur ein Heuchler. Kann schon sein. Ich weiß jedenfalls, dass ich es mit meinem Beschützerinstinkt übertreiben würde. Wenn wir in derselben Stadt leben würden, müssten sie irgendwann anfangen, mich zu hassen. Katie kam vor einer Weile nach Portland und lebte dort einige Monate, aber dann verliebte sie sich in einen Mann aus L.A. und ist weggezogen. Sie war seitdem mit ihm zusammen, und letztes Jahr haben sie geheiratet. Ich vermute also mal, dass er gut für sie ist. Sie ist Lehrerin, wie meine Mutter es war. Eliza lebt immer noch in der kleinen Stadt in Oregon, in der wir aufgewachsen sind. Sie schreibt auch. Kinderbücher.”
“Ich wusste ja nicht, dass du in Oregon aufgewachsen bist. Bisher hatte ich den Eindruck, du wärst erst seit ein paar Jahren in Portland.”
“Es sind inzwischen acht Jahre, ja. Aber aufgewachsen bin ich in Coos Bay, direkt am Pazifik. Eine wunderschöne Gegend, aber für meinen Geschmack einfach zu ruhig. Ich habe zu viele Jahre damit zugebracht zu reisen, nur um dann dorthin zurückzukehren. Aber das Meer habe ich immer geliebt. Das ist auch ein Grund, warum ich jeden Sommer so gerne zu Viviane komme.”
“Wo warst du, wenn du gereist bist, Jack?”, frage ich ihn, weil es mich wirklich interessiert. Plötzlich will ich alles über ihn wissen.
Ich kann nicht genug von ihm kriegen, in jeder Hinsicht. Und es ist so gemütlich in der Fahrerkabine seines Trucks. Die Musik spielt leise, und der strahlend schöne Sommertag wärmt mir das Herz. Jack öffnet sich mir, das ist das Schönste. Er erzählt mir von seinem Leben.
“Ich war in Europa. Spanien, Deutschland, Italien, Tschechien. Dort war ich vor dem College und habe mich als Rucksacktourist durchgeschlagen. Vor ein paar Jahren bin ich noch einmal dorthin zurückgekehrt. Ich hatte gerade das erste Geld mit dem Schreiben verdient. Ich bin wieder nach Frankreich und Italien gereist. Es war für mich eine völlig neue Erfahrung, in Hotels zu übernachten. Bis heute bin ich nicht sicher, welche Reise mir besser gefallen hat. Außerdem war ich eine Zeitlang in Costa Rica, Argentinien und Brasilien. Und ich war in Japan. Kyoto habe ich wirklich geliebt.”
“Eins deiner Bücher spielt auch dort. Das von vor zwei Jahren.”
“Ja.” Er dreht den Kopf und mustert mich so seltsam. Als fände er es komisch, dass ich das weiß.
“Und was ist dein Lieblingsort?”
“Irgendwie gibt’s in jedem Ort etwas, das ich mag. Aber weißt du … ich liebe New Orleans. Diese Stadt ist einfach zauberhaft. Aber um dort zu leben, ist es zu heiß. Ich mag Portland. Den Nebel und das Grau. Und mir gefällt die Einsamkeit dort. Die Traurigkeit. Vielleicht klingt das makaber, aber …”
“Also, ich finde nicht, dass das makaber ist.” Ich lache, und er dreht den Kopf und schenkt mir sein strahlendes Lächeln. “Denn das ist auch etwas, das ich an Seattle absolut liebe. Ich liebe es, vom Nebel eingeschlossen zu werden. Das Grau und den Regen. Ich glaube, Seattle ist der einzige Ort, an dem ich leben könnte.”
“Und wie sieht’s bei dir aus, Bettina? Wo warst du schon?”
“Ich bin nicht weit herumgekommen. Eigentlich bin ich jetzt erst an dem Punkt in meinem Leben, an dem ich mutig genug bin, etwas von der Welt sehen zu wollen. Diese Reise ist irgendwie ein Anfang.”
“Du meinst, du bist noch nie aus Seattle rausgekommen?”
“Nicht oft. Ich bin ein paar Mal bis Victoria im Norden gefahren. Und ich war in San Francisco. Diese Stadt liebe ich. Dort gab’s auch meinen Nebel.” Ich lache wieder, und er lacht mit mir. Erneut habe ich das Gefühl, mit ihm auf einer Wellenlänge zu sein.
Gewöhn dich lieber nicht
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