Lovers (German Edition)
Körper und als ziehe sie sich um mich zusammen. Ich beiße mir auf die Lippen und atme tief durch, aber das Gefühl verschwindet nicht.
Ich kann nicht länger bei ihm bleiben. Ich kann nicht einfach bleiben und meinem Verstand erlauben, in diese düsteren Untiefen einzutauchen. Dort unten scheint es nämlich möglich zu sein, daran zu glauben, dass er mich will.
Behutsam und mit angehaltenem Atem schlüpfe ich unter seinem Arm hervor und bete still, er möge jetzt nicht aufwachen. Er schläft weiter. Und ich bin frei, ziehe meinen Bikini wieder an und schleiche lautlos zur Tür, die ich leise hinter mir zuziehe. Ich bin mucksmäuschenstill. So war ich schon immer.
Draußen ist es so dunkel. Jetzt fühle ich mich sehr einsam, während ich vorsichtig zu meinem Cottage zurückschleiche. Drinnen schalte ich alle Lichter ein. Alles ist perfekt und ordentlich, wie ich das Häuschen bisher immer hinterlassen habe. So ordentlich, wie alles in meinem Leben immer sein muss.
Ich gehe ins Badezimmer, wo meine grobgezinkte Bürste, mein Haarwasser, meine Cremes und die Gesichtspflege brav wie kleine Soldaten auf dem Waschtisch aufgereiht liegen und stehen. Ich lege meine Zahnbürste und die Zahnpasta daneben. Dann berühre ich jeden einzelnen Gegenstand, einen nach dem anderen. Stumm zähle ich die Sachen durch. Das habe ich schon lange nicht mehr gemacht. Aber jetzt fühle ich mich mehr dazu gezwungen als jemals zuvor, und mein Atem kommt in kurzen, flachen Stößen, während ich in diesem alten Ritual nach Trost suche. Einem Ritual, von dem ich gedacht hatte, ich bräuchte es nicht mehr.
Verdammt.
Ich ziehe die Hand zurück und starre mich im Spiegel über dem Waschbecken an. Mein Blick wirkt fiebrig, meine Haare sind nur ein Gewirr aus Locken, und meine Wangen sind gerötet. Meine Lippen sind von den Küssen geschwollen.
Warum will ich denn weinen?
Verdammt!
Mit einer heftigen Handbewegung fege ich meine tapferen Soldaten vom Waschtisch auf den Boden. Das leise Klappern ist irgendwie befriedigend.
Ich will mich nicht so fühlen. Ich will nicht diesen Scheiß empfinden, von dem ich gedacht habe, ich hätte ihn überwunden. Habe ich nicht deshalb die Therapie gemacht? Und es schien doch zu funktionieren. Die Therapie hat mich hergeführt, ich habe mich aus dem sicheren Kreis von Seattle gelöst, mein Apartment und den kleinen Kreis meiner engen Freunde hinter mir gelassen. Meine täglichen Rituale, die für meine Existenz so verdammt überlebenswichtig zu sein schienen. Ich war da draußen in der Welt, nicht wahr? Ich habe neue Leute getroffen. Audrey. Jack.
Jack.
Warum bringt er dann alles zurück? Die alte Angst vor … allem?
Ich will mich nicht so fühlen! Kann ich nicht einfach beschließen, dass ich das nicht will?
Ich lehne mich gegen den Waschtisch und umklammere mit den Händen die Tischplatte, bis sie schmerzhaft in die Haut schneidet. Ich zwinge mich, langsamer zu atmen. Und nicht jeden Atemzug zu zählen.
Nach einiger Zeit ziehe ich meinen noch feuchten Bikini aus und steige unter die Dusche. Das heiße Wasser besänftigt mich. Ich werde ruhiger. Nach der Dusche räume ich ein bisschen vom Chaos auf und stelle alles wieder auf den Waschtisch. Erfolgreich widerstehe ich dem Drang, alles gerade zu rücken.
Das Bett sieht für mich jetzt zu ordentlich aus, und ich zerre an der Decke und bringe sie etwas in Unordnung. Erst dann gleite ich unter das kühle Laken. Mein Körper summt, aber das ist nur die Nachwirkung vom fantastischen Sex und hat nichts mit der heftigen Sorge zu tun, die ich empfand, als ich Jacks Cottage verließ. Trotzdem liege ich in der Dunkelheit und lausche dem Meer, das erbarmungslos gegen die Küste brandet. Ich lausche dem leisen Zirpen der Grillen, die sich in den Zypressen eingefunden haben. Es dauert lange, bis ich Schlaf finde.
Das Frühstück im Haus ist genauso wie an den meisten Vormittagen, und für mich ist das ein Trost. Patrice und Viviane kochen, und Leo hilft ihnen dabei. Er pfeift fröhlich vor sich hin. Kenneth füttert Sid mit kleinen Speckstückchen, und die ganze Küche ist von dem satten, köstlichen Geruch erfüllt. Alle begrüßen mich auf ihre Art: Patrice mit einem Nicken, Viviane mit einem Kuss auf die Wange, als ich an ihr vorbeikomme. Leo und Kenneth sagen nur Guten Morgen. Beide lächeln mich an.
Jack und Audrey fehlen. Ich will darüber lieber nicht nachdenken. Über die beiden.
Ich schenke mir aus der riesigen Kanne, die Viviane immer bereithält,
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