Luc - Fesseln der Vergangenheit
dichter an Pakistan, Warzais Stammgebiet und letztlich auch an Hamids Dorf. Wir können sie ja fragen, wenn wir sie treffen.« Lucs Augenzwinkern verfehlte seine Wirkung. Jasmin runzelte lediglich unwillig die Stirn.
»Was tun wir jetzt? Kehren wir um und fahren zurück nach Kunduz? Wenn wir die Straße von dort nach Baghlan nutzen, wären wir abends am Ziel. Wenn wir über Mazar el-Sharif fahren, brauchen wir länger.«
»Nein. Die Zeit können wir anders nutzen. Wenn wir die ausgebauten Pisten verlassen, sind wir schneller. Es gibt einen kaum befahrenen Pfad, der uns quer durch das Gebirge auf die Piste nach Baghlan bringt. Das wird zwar holperig, ist aber machbar und spart Zeit, so dass wir Baghlan vor ihnen erreichen.«
»Das ist eine Wüste mit einigen Erhebungen, wenn wir dort liegen bleiben, bringt das überhaupt nichts.«
»Und was glaubst du, warum Scott und ich die Sat-Bilder auswendig gelernt haben? Der Weg ist befahrbar. Punkt.«
Jasmin öffnete den Mund, aber sie beschränkte sich auf ein entrüstetes Murmeln, das Hamid kurz zum Schmunzeln brachte. »Ich vermute, sie steuern den Außenposten der Bundeswehr an. Ansonsten fällt mir in Baghlan kein sicherer Ort für Melton und seine Männer ein. Wenn sie das tun, betrachtest du das vermutlich als deine Aufgabe.«
»Zumindest im Moment. Wir haben insgesamt drei unserer Männer in dem Begleitschutz untergebracht, den Melton angefordert hat. Ich rede mit Andi, dass er und seine Jungs uns in Baghlan erwarten. Mit dem Hubschrauber ist das kein Problem, damit halten wir die Trümpfe in der Hand. Und du bleibst im Hintergrund, bis ich dir grünes Licht gebe.«
Die Vorstellung, Hamid könnte sich zu einem Angriff auf den Konvoi oder einer ähnlichen Verzweiflungstat hinreißen lassen, war unerträglich. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis Hamid langsam nickte und Luc aufatmete. »Soweit einverstanden, aber wenn du auch noch darauf bestehst, dass ich vor dir salutiere, bekommen wir ein Problem.«
Lächelnd winkte Luc ab. »Ich gehe davon aus, dass ihr uns durchs Gebirge folgt.«
»Natürlich. Das ist doch das Mindeste, nachdem du die Sat-Aufnahmen so sorgfältig studiert hast.«
Jasmin bedachte sie beide mit genervten Blicken und drehte sich auf dem Absatz um. »Männer!«
Ehrlich ratlos sah Luc ihr nach. »Verstehst du das jetzt?«
»Nein. Aber auch das ist zum Glück nicht mein Problem.«
33
Der Weg war so schwierig zu befahren, wie Luc es erwartet hatte. Aber seine Zeitkalkulation ließ ihnen genug Raum, um Baghlan vor Melton zu erreichen. Obwohl er überzeugt war, dass seine Überlegung richtig war, hätte er es vorgezogen, sich zu irren. Baghlan und die gleichnamige Provinz lagen in einer Region, in der die internationalen Truppen nur an wenigen Orten die Oberhand hatten. Kämpfe mit den Taliban waren an der Tagesordnung. Der Gedanke, ausgerechnet dort gegen eine verbrecherische Allianz aus einigen CIA -Agenten und extremistischen Taliban zu kämpfen und dabei auf eigene Verbündete in den Reihen der Taliban zurückzugreifen, war so absurd, dass er bitter auflachte.
Scott musterte ihn vom Beifahrersitz aus flüchtig und schloss wieder die Augen. »Verrückter geht’s wirklich nicht mehr.« Es überraschte Luc nicht, dass Scott seine Gedanken erraten hatte.
Vom Rücksitz aus meldete sich Jasmin zu Wort und umklammerte den Sitz vor sich. »Ich hoffe, du meinst die Entscheidung, hier entlangzufahren. Ich spüre mittlerweile jeden Knochen und Muskel. Das ist Wahnsinn.«
Da die Stoßdämpfer dafür ausgelegt waren, nur den Wagen vor Unebenheiten zu schützen, nicht aber die Fahrzeuginsassen, bekamen sie die volle Wucht der Erschütterung zu spüren. Auch Luc musste nach knapp zwei Stunden die Zähne zusammenbeißen. »Wir können gleich eine Pause einlegen.«
Im selben Moment beobachtete er im Rückspiegel, dass der Jeep von Chris wegrutschte und mit einem Reifen in einer mit weichem Sand gefüllten Furche landete. Trotz Geländegängigkeit würde der Jeep sich daraus nicht selbständig befreien können. Es waren weder Anweisungen noch Bitten erforderlich. Als ob sie seit Ewigkeiten zusammenarbeiten würden, befreiten die SEAL s Seite an Seite mit den Afghanen den festgefahrenen Wagen aus seiner Zwangslage.
Als das Fahrzeug wieder auf halbwegs ebenem Boden stand, rieb Luc sich den Schweiß von der Stirn und nahm dankbar die Flasche Wasser entgegen, die Hamid ihm hinhielt.
Hamids Männer sprachen fast alle zumindest ein wenig Englisch und
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