Luc - Fesseln der Vergangenheit
verhinderte, dass Luc einschlief. Die Augen bis auf einen schmalen Spalt geschlossen, beobachtete er Jasmins ausdruckvolles Mienenspiel.
Scott, der sich redetechnisch sonst aufs Notwendigste beschränkte und nur im Kreis seiner Freunde auftaute, ließ das Gespräch keineswegs wie erwartet einschlafen. Über Filme und Bücher kamen sie zum Sport und stellten fest, dass sie für rivalisierende Football-Teams waren, und begannen eine hitzige Diskussion. Obwohl die Fahrt ihre volle Konzentration forderte, gab Jasmin sich jedoch keine Blöße. Sie hielt nicht nur mit, sondern trieb seinen Freund ein ums andere Mal in die Ecke.
Im Gegensatz zu Scott erkannte Luc den Augenblick, als Jasmin sich zu einem Frontalangriff entschloss. Erfolgreich widerstand er der Versuchung, seinen Freund zu warnen. Im nächsten Moment verfluchte er sich für seine Rücksichtnahme.
»Und das aus dem Mund von einem Mann, der es nicht schafft, sich gegenüber der Mutter eines Freundes wie ein normaler Mensch aufzuführen.«
»Hast du keine interessanteren Themen, die du mit Luc bereden kannst? Meine Mutter hat Marie Claire eben sehr verehrt, sie war immer ihr Idol. Wenn du dann einem solchen Weltstar plötzlich gegenüberstehst und feststellst, dass Marie auch in Wirklichkeit die reinste Göttin ist, dann … »
Der Wagen geriet ins Schlingern und diesmal war keine Bodenwelle schuld, sondern Jasmin hatte das Lenkrad verrissen.
Keuchend brachte sie den Wagen wieder unter Kontrolle. Luc fuhr hoch und revanchierte sich mit einem kräftigen Schlag gegen die Lehne des Beifahrersitzes dafür, dass sein Freund gedankenlos ausgeplaudert hatte, was er gerne noch etwas länger für sich behalten hätte. »Du Idiot.«
Jasmin drehte sich zu Luc um und sah ihn an, als ob er sich in einen Zwillingsbruder ihres schlimmsten Feindes verwandelt hätte. »Und wann wolltest du mir das sagen?«
»Irgendwann schonend beibringen.«
»Deine Mutter ist für mich die größte Schauspielerin der letzten vierzig Jahre. Ihr Name wird in einem Atemzug mit der Taylor oder der Garbo genannt und du willst mir das irgendwann schonend beibringen? Weißt du eigentlich, dass sie ganz nebenbei mit einem verdammt reichen Mann verheiratet ist?«
Von Scott kam ein unterdrückter Laut, den Luc geflissentlich ignorierte. »Da es sich um meinen Vater handelt, ist mir das durchaus bekannt.« Trotz der Straßenverhältnisse nahm Jasmin sich die Zeit, ihn mit einem Blick förmlich an den Rücksitz zu nageln. Abwehrend hob er die Hände. »Hey, man kann sich seine Eltern nicht aussuchen. Und wie du schon sagst, mein Vater hat das Geld – nicht ich. Wenigstens kannst du dir jetzt selbst überlegen, warum meine Brüder und ich den Geburtsnamen meiner Mutter angenommen haben.«
Scott legte ihr übertrieben fürsorglich eine Hand auf den Arm. »Es hätte doch noch schlimmer kommen können. Stell dir vor, Luc hätte sich als einer der Kennedys oder Rockefellers entpuppt.«
Jasmin schlug seine Hand zur Seite und hob drohend die Faust. »Ich finde das nicht witzig.«
Das Lachen verschwand aus Scotts Miene. »Es tut mir wirklich leid. Ich dachte, du wüsstest bereits Bescheid. Bitte sei nicht zu streng zu ihm. Er leidet schon genug unter seiner Abstammung.«
Luc rechnete mit einem wütenden Fauchen, stattdessen schwieg Jasmin geraume Zeit und nickte schließlich. »Vermutlich ist es wirklich schwer, unter diesen Umständen aufzuwachsen.«
Dank ihrer eigenen Erfahrungen als Kind hochrangiger Diplomaten konnte sie ihn vielleicht tatsächlich verstehen. Er entspannte sich etwas, zuckte aber zusammen, als Jasmin die nächste Frage abschoss. »Wann hat er dir erzählt, wer seine Eltern sind?«
Scott würde doch nicht … Über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg warf sein Freund ihm einen rachsüchtigen Blick zu. Verdammt. Luc schloss die Augen und hätte es vorgezogen, neben Scotts spöttischer Miene auch gleichzeitig dessen Worte ausblenden zu können. »Luc hat mir diese Kleinigkeit verschwiegen. Als Marie in Jeans und T-Shirt vor mir stand, ließ ich mich dazu hinreißen, ihr zu erklären, dass sie wie die jüngere Schwester der bekannten Schauspielerin aussehe. Phil, Lucs Bruder, wäre vor Lachen fast erstickt und ich habe vergeblich gehofft, dass die Erde sich auftut und mich verschluckt.«
Luc öffnete die Augen einen Spalt und wünschte, er hätte darauf verzichtet. Jasmin sah seinen Freund voller Mitgefühl an und raste dabei mit viel zu hohem Tempo durch ein Schlagloch.
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