Luc - Fesseln der Vergangenheit
lateinische Buchstaben benutzt und den Namen ›Melton‹ in den Steinboden geritzt. Dahinter waren weitere Zeichen zu erkennen, ergaben jedoch auf den ersten Blick keinen Sinn. »Verdammt. Das würde jeden Staatsanwalt überzeugen, hilft uns aber nicht weiter.« Prüfend musterte Luc den Afghanen. »Woher kennst du eigentlich den Namen Melton? Als ich den vorhin erwähnt habe, hast du reagiert, als ob du ihn kennst.«
»Natürlich kenne ich ihn. Kannst du mit dem Rest etwas anfangen?«
»Sieht aus wie B-A-G. Vielleicht Baghlan? Das nächste Ziel der Fahrt? Verrätst du mir, woher du weißt, mit wem wir es hier zu tun haben?«
Ungewohnt schwerfällig richtete Hamid sich wieder auf. »Ich sagte dir schon in meinem Dorf, dass ich weiß, wovor Jasmin auf der Flucht ist. Daher sollte es dich nicht erstaunen, dass ich den Namen ihres ehemaligen Vorgesetzten kenne. Ich befürchte, dass Kalil vorhatte, Melton und Warzai endgültig auszuschalten. Er hat mir nichts über seine Pläne erzählt, vielleicht weil er wusste, dass ich es ihm verboten hätte. Aber darauf kommt es nicht mehr an. Entscheidend ist, dass sein Vorhaben gründlich misslungen ist und er in Lebensgefahr schwebt, wenn es nicht schon zu spät ist.«
»Das glaube ich nicht. Sie brauchen ihn lebend. Warum auch immer. Sonst wäre dieser Ort perfekt geeignet gewesen, seine Leiche verschwinden zu lassen.« Die klaren Worte ließen Hamid zusammenzucken. »Ich weiß, was du durchmachst, und ich sagte dir schon, dass wir an den Kerlen dran sind. Du brauchst nur noch etwas Geduld.«
Hamid sah ihn lediglich schweigend an, aber Luc ahnte, welche Fragen ihn bewegten, und ging bereitwillig auf die offenen Punkte ein. »Mein Bruder war nur eine Nacht in Meltons Händen. Aber mir hat’s gereicht. Ich sagte dir ja, dass ich ihn auch schon auf dem Hals hatte. Er war davon besessen, die Position deines Dorfes zu erfahren. Sein Vorgehen verrät uns mehr, als ihm recht sein kann.«
»Was meinst du?«
»Melton arbeitet schon längere Zeit mit Warzai zusammen. Das geht aus finanziellen Transaktionen der beiden ganz klar hervor. Und Warzai weiß, wo er dich und Kalil findet. Das lässt nur einen Schluss zu: Bisher hat Warzai dich in gewisser Weise vor Melton beschützt. Es muss einen Grund geben, warum nun auch Warzai die offene Konfrontation sucht und bereit ist, mit Melton zusammen gegen dich vorzugehen. Ich denke, wir wissen beide, wer der Auslöser für diese Eskalation ist.«
Hamid seufzte. »Mein Bruder. Der Hitzkopf hat irgendetwas gestartet, das Warzai und Melton als Bedrohung sehen. Zurück zu deiner Frage von vorhin.« Der Afghane warf Jasmin einen flüchtigen Seitenblick zu. »Bei einem ihrer ersten Besuche in unserem Dorf hat Kalil sich Jasmins Notebook vorgenommen und dort alle Antworten auf unsere Fragen gefunden. Daher kenne ich den Namen Melton. Wir haben nicht nur die Film- und Tonaufnahmen gesehen, sondern auch Jasmins Bericht aufmerksam durchgelesen.« In einer spontanen Geste fasste Hamid nach Jasmins Hand. »Das war noch ehe du meinem Sohn das Leben gerettet hast. Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass wir sichergehen mussten, wem wir unser Vertrauen schenken.«
»Das musst du auch nicht. Ich hätte nur nie gedacht, dass du mir das verzeihen kannst.«
»Es gibt nichts, das ich dir verzeihen müsste. Du bist zu streng zu dir und zu störrisch, um das einzusehen und dir helfen zu lassen. Frag dich später, wie sich die Dinge entwickelt hätten, wenn du offen zu uns gewesen wärst.«
Verlegen wich Jasmin den Blicken ihres Bruders aus und starrte auf den Boden. Obwohl es ihm keine Freude bereitete, schlug Luc in die gleiche Kerbe. »Er hat recht, Jamila. Es wäre hilfreich gewesen, wenn ich bei meinem Treffen mit Melton gewusst hätte, wer er ist. Stell dir vor, ich hätte ihm unbeabsichtigt geholfen.«
»Was meinst du?« Die Frage kam von Hamid, und da Jasmin weiterhin auf den Boden sah, als ob es dort irgendetwas Interessantes gäbe, ging Luc auf den Themenwechsel ein. »Melton hat die Deutschen damals begleitet, als sie nach mir suchten, und war auf einen Luftangriff aus, um dein Dorf in Schutt und Asche zu legen. Vermutlich kannte er die Gerüchte über eine blonde Ärztin bei euch. Aber der deutsche Offizier und ich haben die Koordinaten erfolgreich vor ihm verborgen.«
»Und später hat er dann deinen Bruder entführt, um dich zum Reden zu bringen?«
»Richtig. Jay wusste, worauf er sich einlässt. Trotzdem mag ich nicht daran denken,
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