Luc - Fesseln der Vergangenheit
unterstützten.
Anscheinend war der Mann alleine unterwegs. Zusammen mit dem Überraschungsmoment standen die Chancen gut, ihn zu überwältigen und endlich zu erfahren, wo er eigentlich war und damit auch, wie er zurück zu seinen Leuten kam. Vorsichtig schob er sich bäuchlings dichter an den Mann heran. Erst im letzten Moment sprang er auf und hechtete vor. Schon als Luc den Mann zu Boden riss, merkte er, dass er sich verschätzt hatte. Sie befanden sich zu dicht an dem steil abfallenden Rand des Hügels und sein Gegner überwand den Schock entschieden zu schnell. Der Mann schlug nach Lucs Kehle und versuchte sich gleichzeitig von ihm wegzuwälzen. Fehler! Der Unbekannte verlor den Halt und riss Luc mit sich den Hügel hinab. Halb rutschend, halb stürzend kamen sie unten an, durch pures Glück landete Luc auf dem Mann und sein Körpergewicht reichte, um ihn unten zu halten. Ein Knie auf den Brustkorb des Mannes gestemmt, zerrte er das Messer aus der Jeans und presste es dem Unbekannten seitlich an den Hals.
Luc entschied sich für Paschtu, weil das am wenigsten über seine Identität verriet: »Wer bist du?«
Die blonden Haare weckten in Luc die Hoffnung, dass er es mit einem Soldaten zu tun hatte. Aus weit aufgerissenen Augen starrte der Mann Luc an, verlagerte aber zur gleichen Zeit sein Gewicht und bewegte sich trotz der Bedrohung unauffällig. Der scheinbare Schreck war nur ein Täuschungsmanöver, der Mann war gut und ein verdammt ernstzunehmender Gegner.
»Verdammt, lass das.« Luc verstärkte den Druck mit der Messerklinge, bis sein Gegner nachgab und die Muskeln merklich entspannte. »Schon besser und nun antworte: Wer bist du?«
»Das wäre exakt die Frage, die mich auch interessiert.« Die eisige Stimme direkt hinter ihm ließ Luc zusammenfahren. »Messer weg und ganz langsam und vorsichtig aufstehen. Dann will ich eine Antwort. Sonst … « Ein leichter Stoß mit der Mündung eines Gewehres in den Rücken beschrieb die Konsequenzen anschaulich.
Der Mann sprach Englisch mit amerikanischem Akzent, aber nicht so, als ob er gebürtiger Amerikaner wäre. Statt die Anweisungen zu befolgen, drehte Luc den Kopf, bis er den Mann sah, konnte ihn aber anhand der Kleidung oder des Aussehens nicht sicher einschätzen. » ISAF ?«
»Kann schon sein und jetzt tu, was ich dir sage.« Die Geduld des Mannes war offensichtlich zu Ende, aber dennoch dachte Luc nicht daran nachzugeben, ehe er sicher war, mit wem er es zu tun hatte.
Luc wechselte ins Englische. »Warum? Für mich sieht es nach einem klassischen Patt aus. Egal, wo du mir die Kugel verpasst, ich werde es noch schaffen, deinen Freund mitzunehmen. Ich hasse es, mich zu wiederholen, aber für euch mache ich eine Ausnahme. Wer seid ihr?«
Der Typ hinter ihm schnaubte, senkte aber sein Gewehr, bis die Mündung zu Boden zeigte. »Die Arroganz spricht für sich. Typisch SEAL . Ganz ruhig, es wird gleich hell.« Geblendet schloss Luc die Augen, als der Strahl der am Gewehr befestigten Taschenlampe über ihn hinweghuschte. »Lieutenant DeGrasse?«
Der Blonde unter ihm nutzte Lucs Überraschung über die Nennung seines Namens und schob die Hand mit dem Messer einfach zur Seite. »Dann haben wir dich ja gefunden, oder eher du uns. Würdest du mich jetzt bitte hochlassen?«
Von der Entwicklung völlig überrumpelt, wich Luc zurück und begriff erst mit einer deutlichen Verzögerung, dass sie seinen Namen und seine Einheit kannten. Es gab nur eine logische Schlussfolgerung und die ließ ihn vor Erleichterung fast zusammensacken. Mittlerweile hatte er auch den Akzent identifiziert: Die beiden waren deutsche Soldaten. Die gutmütige Frotzelei war typisch für den Umgangston zwischen Angehörigen verschiedener Spezialeinheiten. »Das mit der Arroganz überhöre ich mal. Sorry, ich habe keinen Ausweis dabei, aber ich bin DeGrasse. KSK , wenn ich mich nicht irre, oder?«
»Wer wäre sonst wohl so verrückt, in diesem von Taliban verseuchten Gebiet nach verlorenen SEAL s zu suchen?« Der Blonde musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Bist du einigermaßen in Ordnung?«
Luc zwang sich zu einem Grinsen. »Für dich hat’s jedenfalls noch gereicht.«
»Da sei dir mal nicht so sicher, wenn ich voll durchgezogen hätte, wärst du jetzt Hauptdarsteller bei einem beeindruckenden Begräbnis. Ich habe geahnt, dass du es bist, und mich zurückgehalten.«
»Na, sicher doch.«
Der Braunhaarige hob eine Hand und hielt den Blonden damit von der nächsten Runde ihres verbalen
Weitere Kostenlose Bücher