Luca's Rezepte
unserem Hinterhof sirrten die Zikaden, und das Treiben der Straße vermischte sich mit den Geräuschen aus der Küche zu einem Klangbild, das mir seit jeher vertraut war.
Ich lehnte mich aus dem Fenster und ließ einen Spuckefaden in den Hof hinunter. Sinn des Spiels war es normalerweise, einen der unzähligen Blumentöpfe zu treffen, aber heute war es mir egal, wo er landete. Es war eher so eine Art Reflex das zu tun.
Was fand Shiro reizvoll an mir?
Um das herauszufinden, stellte ich mich irgendwann vor den Spiegel an meinem Schrank und betrachtete mich.
Ich trug nur eine rote, abgeschnittene Hose, die gerade bis übers Knie ging. Mein Blick wanderte über mein Gesicht, den Hals entlang zu meinen Schultern.
Wirklich nichts besonderes. Nicht hässlich, aber auch nicht außergewöhnlich. Brustkorb und Bauchpartie waren durch die harte Küchenarbeit nicht mehr so mager wie früher, stellte ich überrascht fest und die Hüften...? Na, Hüften halt.
Ich drehte mich um, begutachtete meinen Rücken, die Partie hinunter zum Hintern und die Oberschenkel.
Das war okay, aber reizvoll? Was konnte einer wie Shiro an so einem wie mir überhaupt finden. Wenn ich meine Hände mit den seinen verglich, wirkten sie beinahe plump und massig. Er war schlank, ich eher dürr. Ich war braun, wie alle Markeser, Shiro hingegen cremefarben.
Und seine klar geschnittenen Gesichtszüge, sie waren einfach wunderschön...
Ich schloss die Augen. Wunder schön ? Was tat ich da gerade? Ich griff zu einem Glas Wasser und trank es in einem Zug leer.
Und als ich schließlich wieder in den Spiegel blickte, da sah ich es. Ich sah es endlich.
Ich sah in die äußerst verwirrten Augen eines Luca, der seine Gefühle nicht unter Kontrolle hatte.
Ganz, ganz langsam, wie durch Nebelschwaden, löste das Verstehen dann endlich das Begreifen ab, und landete passgenau, wie eine gewaltige Erkenntnis aus einer anderen Galaxie in meinem willig bereitstehenden Hirn. Ich hatte mich so sehr danach gesehnt, und ich wusste es noch nicht einmal.
Ich war nicht anders! Ich war genau wie er!
4.
Der Sand war kühl und fest. Das Meer lag beinahe still in dieser Nacht. Nur ab und zu rollte eine Welle matt an den Strand. Das war aber auch das einzige, was zu hören war. Das, und in der Ferne die Zikaden.
Ich rauchte.
Es kam nicht oft vor, dass ich hier rausfuhr, allein, aber zum Nachdenken gab es keinen besseren Ort.
Und ich hatte viel nachzudenken.
Nachzufühlen...
In meinem Kopf gab es seit jeher immer eine klare Perspektive, einen vorgezeichneten Weg, so geradlinig, als sei er mit einem Lineal gezogen worden - und nun das...
Ich würde Probleme bekommen. Das war schon mal klar.
Wie sollte es jetzt weitergehen? Keine gerade Linie, kein vorgezeichneter Strich.
Ein riesiger Berg an Fragen, an Befürchtungen, ja, auch an Ängsten.
Was war nun? Was stand mir bevor? Was bedeutete das? Für meine Familie? Für meine Zukunft? Für mich selbst? Wer war ich überhaupt? Und was war ich...?
Ich zog an der Zigarette, und beobachtete, wie sich die Glut ins Papier fraß.
Und Shiro? Er konnte jetzt nicht mehr bei uns bleiben. Auf keinen Fall.
Aber das war absurd. Gerade jetzt.
Auch wenn ich noch nicht wagte, es laut auszusprechen, ja überhaupt zu denken, wie ich fühlte und wie meine Sehnsucht aussah oder meine Fantasien, so war für mich doch ganz klar, dass sich alles um ihn drehte. Um uns...
Shiro...
Mein Magen zog sich zusammen bei diesem Gedanken.
Probleme...
Ich schlich leise durchs Restaurant und das Treppenhaus hinauf, um niemanden zu wecken, aber auch um keinen Ärger zu bekommen. Ich war einfach nur müde und wirr.
»Luca...?«
Ich erschrak.
Shiro saß im Dunkeln, verborgen, auf den Stufen zu seinem Dachzimmer, so dass ich ihn nicht sehen konnte.
»Shiro...«, flüsterte ich,»...was machst du denn da?«
»Auf dich warten. Ich muss dich sehen!«
»Dann komm...«
Ich ließ ihn in mein Zimmer, machte Licht und schloss leise die Türe. Dann zog ich unterm Bett eine Flasche Rotwein und zwei Gläser hervor.
»Wo warst du?«, fragte ich vorwurfsvoll, während ich den Wein entkorkte. »Ich hab dich überall gesucht...«
Shiro saß auf meinem Bett und starrte mich finster an.
»Wenn du 's genau wissen willst, ich hab mich verkrochen.«
Ich reichte ihm ein Glas. Er nickte mir zu und nahm einen großen Schluck.»Ich bin so ein Idiot...«
»...Was willst du hören?«
»Dass ich kein Idiot bin. Das alles okay ist
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